Aktienmarkt: Kann es zu viel Optimismus geben?

09.07.15

Die Finanzmärkte werden krisensensibler, ausgehend von der enormen Medienpräsenz der Griechenland-Thematik. Selbst Amerika lässt sich von Europa beeindrucken. Wie von mir schon vor Wochen vermutet, gehen die Diskussionen mittlerweile über das Hellas-Schuldenproblem und einen „Grexit“ weit hinaus. Letztlich steht der Euro, steht Europa auf dem Spiel. Dazu kommen Krisensignale aus China, die zunächst aber nur am Rand beachtet wurden. Inzwischen strahlt der Aktien-Crash in Schanghai sogar auf die ohnedies schwächelnden Rohstoffpreise aus. Eine seltsame Konstellation angesichts der sich stabilisierenden Weltwirtschaft.

So schlagzeilenträchtig die internationale Nachrichtenlage seit Tagen auch sein mag – Wall Street und unsere europäischen Börsen erscheinen doch bemerkenswert robust und resistent. Kritische Strategen fragen sich allerdings, ob der Optimismus, der bei uns eindeutig vorherrscht, nicht als Kontra-Indikator für die nächste Zeit interpretiert werden müsse: Sind die Marktteilnehmer angesichts fehlender Aktien-Alternativen nicht vorsichtig genug?

„Deutliche Mehrheit sieht noch Aufwärtspotenzial beim Dax“, so das Ergebnis einer aktuellen Online-Umfrage des Deutschen Derivate Verbands (DDV). Mehr als die Hälfte der Privatanleger hält den deutschen Leitindex trotz eines zweistelligen Plus seit Jahresbeginn nach wie vor für attraktiv bewertet. 60 Prozent, somit ein Anstieg um 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr, erwarten bis zum Jahresende steigende oder stark steigende Kurse. An der Umfrage, die gemeinsam mit sieben großen Finanzportalen durchgeführt wurde, beteiligten sich immerhin 5.160 Personen. Dabei handelt es sich in der Regel um gut informierte Anleger, die als Selbstentscheider ohne Berater investieren.

Obgleich einige Optimisten unter den institutionellen Marktteilnehmern im Zuge der weiteren Dax-Schwäche erwartungsgemäß das Handtuch geworfen und so möglicherweise die jüngsten Kursrückgänge beschleunigt haben, bleibt sowohl bei ihnen als auch bei den Privatanlegern ein recht hoher Anteil an Bullen übrig, heißt es im wöchentlichen Sentiment-Report von der Frankfurter Börse. Auch das Nein der Griechen zu Reformprogrammen, das sich aus dem Referendum vom vergangenen Wochenende ergab, hat nicht zu panikartigen Verkäufen an Deutschlands Aktienmärkten geführt. Allerdings hat der im Wochenvergleich abermals um 3 Prozent gefallene Dax bei den mittelfristig orientierten institutionellen Marktteilnehmern Spuren hinterlassen. So wollte etwa jeder siebte Optimist keine weiteren Kursrückgänge mehr hinnehmen. Und weil von denen, die nunmehr ihre aufgelaufenen Verluste realisiert haben, knapp die Hälfte per Saldo ins Bärenlager abgewandert ist, fiel der Börse Frankfurt Sentiment-Index auf einen Wert von +19 nach +32 Punkten in der Vorwoche zurück. Das ist exakt der Wert, den die Analysten vor zwei Wochen (zu dieser Zeit stand der Dax noch bei 11.500 Zählern) ermittelt hatten. Dennoch stellen die Bullen immer noch fast die Hälfte aller Teilnehmer des Panels.

Der renommierte Sentiment-Analyst Joachim Goldberg, verantwortlich für die wöchentliche Frankfurter Umfrage, betrachtet das hohe Maß von Optimismus aber mit Skepsis: Es sei nicht anzunehmen, dass die verbliebenen Bullen im Falle weiterer Kursrückgänge zwangsläufig panikartig dem Dax den Rücken kehren werden. Vielmehr sei zu befürchten, dass ein sich scheibchenweise abschwächender Aktienmarkt zu erneuten Käufen in die Schwäche verführt und somit eine Bereinigung der mittlerweile recht beachtlichen Schieflagen auf die lange Bank geschoben wird. Fazit: „Die längerfristigen Aussichten für den Dax scheinen sich zunehmend zu verfinstern.“

Dem kann ich mich nicht anschließen, geschätzte Anleger. Denn ich empfinde die offenkundige Gelassenheit der meisten Anleger als Zeichen für die Erkenntnis, dass weder Griechenland, noch China die liquiditätsgetriebenen Aktienmärkte mit einem auch fundamental besser werdenden Hintergrund auf Dauer belasten können. Außerdem fehlt es ja an Alternativen. Und es scheint so, als hätten sich die Akteure mittlerweile auf die gegenüber Vorjahr spürbar höhere Volatilität eingestellt.

„boerse.de-Anleger-Barometer“: Jetzt teilnehmen!

Gerne unterstützte ich die Kollegen vom Börsenverlag bei ihrer neuen Leserumfrage „boerse.de-Anleger-Barometer Q3/2015“. Hier sind dazu die fünf kurzen Fragen:

1. Wo steht Ihrer Einschätzung nach der Dax in drei Monaten (unter 10.000 Punkten, im Bereich von 11.500 Punkten, über 13.000 Punkten)?

2. Wo erwarten Sie den Dax in sechs Monaten (unter 10.000 Punkten, im Bereich von 11.500 Punkten, über 13.000 Punkten)?

3. Wo sehen Sie den Dax in zwölf Monaten (unter 10.000 Punkten, im Bereich von 11.500 Punkten, über 13.000 Punkten)?

4. Welche Geldanlageform bevorzugen Sie persönlich (Aktien, Fonds, Festgeld)?

5. Was ist Ihr Hauptziel bei der Geldanlage (Vermögenserhalt, regelmäßiger Nebenverdienst, langfristiger Vermögensaufbau)?

Das Umfrage-Ergebnis veröffentlichen der Verlag ab dem 16.07.2015 im geschützten Teilnehmer-Bereich unter www.boerse.de/anleger-barometer/. Teilnahmeschluss ist der 15.07.2015, 15 Uhr. Die Auswertung der Umfrage erfolgt anonym.

Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!