Crash-Beobachtungen: Erstaunliche Gelassenheit der deutschen Anleger

27.08.15

Wie die anhaltenden Turbulenzen an den Finanzmärkten zu interpretieren sind, wissen wir wohl erst mit gewissem zeitlichen Abstand. Offizielle Kreise (Bundesbank), Anlagestrategen und Analysten bemühen sich seit Wochenbeginn zwar um sinnvolle Begründungen, aber eine befriedigende Erklärung für die teils doch dramatischen Kursstürze und extremen Schwankungen bei Aktien, Rohstoffen und Währungen konnte noch von keiner Seite geliefert werden. Alles auf China zu schieben, ist in meinen Augen zu simpel. Warum muss der Kurs-Crash in Schanghai so stark auf die Märkte der westlichen Industrienationen ausstrahlen? Sind denn die Ängste berechtigt, dass die Probleme im Reich der Mitte die Weltwirtschaft ernsthaft gefährden könnten? Diese Einflüsse treffen zusammen mit der wieder gewachsenen Unsicherheit über den Termin der amerikanischen Zinswende – kommt die jetzt doch nicht Mitte September sondern erst später, im Dezember?

Nicht zu unterschätzen sind die Auswirkungen eines zunehmend kurzfristigen Verhaltens vieler Großanleger und Banken, auf das ich an dieser Stelle schon seit geraumer Zeit hinweise: Statt größere Eigenhandelsbestände aufzubauen betätigen sich die Institutionellen zunehmend als Trader. Bestätigt sehe ich mich durch Ulrich Stephan, denn der Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank schreibt in seinem morgendlichen Brief: „Von China verunsicherte Anleger treffen auf wenig liquide Sommerbörsen. Die Lage verschärft sich durch den Ausfall der Banken als Marktakteure: Sie können nicht mehr selbst handeln und Kurse stützen. Regulierung ist wichtig, hat aber ihren Preis.“

Wie sich die Turbulenzen im wöchentlichen Sentimentreport der Frankfurter Börse niedergeschlagen haben, ist diesmal besonders interessant. Die damit befassten Analysten weisen zunächst darauf hin, dass man schon bis zum 10. August 2011 zurückgehen muss, um im Wochenvergleich einen noch größeren Kurseinbruch beim Dax zu entdecken. Das Ergebnis der gestrigen Stimmungserhebung belegt immerhin, dass es den mittelfristig orientierten institutionellen Anlegern in einem teils engen Markt und trotz wahrscheinlicher Abgaben aus dem Ausland nicht an Kaufbereitschaft gefehlt hat. Denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index hat sich deutlich befestigt und ist auf einen optimistischen Wert von +16 (Vorwoche -6) gestiegen. Dabei sind nicht nur vormals bärische Engagements teilweise mit ordentlichen Gewinnen glattgestellt worden. Vielmehr haben diese Akteure während der vergangenen Tage die Nerven behalten und beherzt zugegriffen – ins fallende Messer, wie man so schön zu sagen pflegt. Und das obwohl die Jahresprognosen einiger Analysten für den Dax mittlerweile teilweise drastisch zurückgenommen wurden.

Noch deutlicher fällt das Stimmungsergebnis bei den Privatanlegern aus, bei denen sich ein Optimismus breitgemacht hat, wie er zuletzt am 26. November 2014 beobachtet wurde. Dass dabei der Börse Frankfurt Sentiment-Index für diesen Anlegerkreis von +10 in der Vorwoche auf einen Wert von +28 gestiegen ist, offenbart indes ein ganz anderes Marktverhalten als das der institutionellen Anleger. Denn die neu hinzugekommenen Optimisten – es handelt sich immerhin um einen Zuwachs von 10 Prozent aller Befragten – rekrutieren sich zu 80 Prozent aus dem Lager vormaliger Bären. Interessant ist dabei, dass sich von den Optimisten der Vorwoche per Saldo kaum jemand von seinen zwischenzeitlich massiv im Verlustbereich befindlichen Engagements getrennt hat. Die Einstandspreise dieser Positionen dürften sogar immer noch deutlich über dem heutigen Kursniveau liegen, was einerseits eine starke Aversion erkennen lässt, die aufgelaufenen, zeitweise recht hohen Buchverluste zu realisieren. Andererseits lässt das den Schluss zu, dass man sich anscheinend von der jüngsten Panik nicht hat anstecken lassen.

Bei aller vorsichtigen Anlegern gebotenen Zurückhaltung möchte ich eine klare Empfehlung aussprechen: Wer über freies Kapital verfügt, das er wirklich langfristig (mindestens fünf Jahre) anlegen will, sollte jetzt bei Dax & Co. unbedingt einsteigen!

Ein Vergleich mit dem Dax-Crash von 2011

Auch der ebenfalls grundsätzlich optimistische Kollege Jochen Appeltauer, Chefredakteur des „boerse.de-Aktienbrief“, zieht Vergleiche mit früheren Crash-Phasen: „Im Nachhinein eröffneten sich dadurch jedes Mal fantastische Einstiegsgelegenheiten. Erinnern wir uns nur an den Sommer 2011. Auch damals kam es im August zu einem regelrechten Ausverkauf, als der Dax innerhalb von sechs Tagen unter die 200-Tage-Linie rutschte und anschließend ungebremst sowohl die 7.000er- als auch die 6.000er-Marke durchschlug. In der Monats-Bilanz verbuchte der deutsche Leitindex damals ein Minus von 19,2%, was das bislang schlechteste August-Ergebnis der Geschichte bedeutete. Als schließlich Mitte September das Crash-Tief bei 5072 Zählern markiert wurde, stand im Vergleich zum Mai-Top von 7.528 Punkten ein Abschlag von 33% zu Buche. Dieser Einbruch war natürlich heftig, doch genauso rasant ging es danach auch wieder in die andere Richtung.“ Bereits im Dezember, also gerade einmal drei Monate später, stand ein Plus von 14% zu Buche. Nach sechs Monaten hatte der Dax rund 36% aufgeholt, und im September 2012 notierte das heimische Blue-Chip-Barometer schon 45% über seinem ein Jahr zuvor markierten Tief. Mit dem gestrigen Schlusskurs bei 10.128 Zählern errechnet sich übrigens trotz des jüngsten Kurseinbruchs ein Plus von exakt 100% gegenüber dem 2011er-Tief. Erkenntnis: Vor vier Jahren waren die Anleger ähnlich nervös und panisch wie in diesen Tagen, doch die Wogen haben sich auch wieder geglättet. Und vorausschauende Anleger, die damals die Chance zum Einstieg nutzten, konnten satte Gewinne einfahren.

Appeltauers Empfehlung: „Nichtsdestotrotz lautet die Devise für uns im boerse.de-Aktienbrief, vorerst das Pulver noch trocken zu halten. So empfiehlt unser Champions-Oszillator derzeit ein Cash-Polster von 76%. Dieser Indikator wird uns auch anzeigen, wann es wieder an der Zeit ist, neue Einstiegschancen zu nutzen.“