Gedanken zum Weltspartag: Ein „Tag für Anleger“ wäre wichtiger!

26.10.16



Es war nicht anders zu erwarten: Unmittelbar vor dem traditionellen Weltspartag am 28. Oktober wird den anhaltend spareifrigen Bundesbürgern lobend und verständnisvoll auf die Schultern geklopft. Für engagierte Banken und Sparkassen ist er willkommener Anlass, die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank ertneut zu kritisieren. An der Berechtigung des Sparens sollte ja auch nicht gezweifelt werden – umso mehr am Wie. Brauchen wir wirklich noch den Weltspartag mit herzigen Aktionen für Kinder und Fotos von Sparschweinchen in den Medien? Sparen ja, verstanden als langfristiges und möglichst regelmäßiges Einzahlen zur Vorsorge für die unterschiedlichsten Zwecke. Doch ist anstelle von sinnlos gewordenem Zinssparen wie früher jetzt sinnvolles Investieren in Sachwerte angesagt.


Das neue „Vermögensbarometer des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) macht die Misere deutlich. Denn die Bundesbürger sind trotz Niedrigzinsphase nicht bereit, für eine höhere Rendite bei ihrer Geldanlage auch mehr Risiko in Kauf zu nehmen. 70 Prozent lehnen dies rundweg ab, wie aus der aktuellen Umfrage hervorgeht, und nur 10 Prozent können sich vorstellen, höhere Risiken einzugehen. Dazu passt auch, dass das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung bei der Geldanlage noch einmal deutlich gestiegen ist: Nannten 2015 noch 50 Prozent die Sicherheit als eines der drei wichtigsten Kriterien, so entfallen 2016 sogar 57 Prozent der Nennungen darauf, gefolgt von Flexibilität (40%) und Verfügbarkeit (36%). Die Rendite liegt mit 22 Prozent (2015: 27%) nur noch auf Platz fünf.

Das hohe Sicherheitsbedürfnis der Bundesbürger zeigt sich übrigens auch in der weiter steigenden Beliebtheit der selbstgenutzten Immobilie. 59 Prozent der Befragten sprechen ihr die höchste Eignung für den Vermögensaufbau zu. Das sind noch einmal sechs Prozentpunkte mehr als 2015. Der langfristige Vergleich zeigt den Trend zur Immobilie noch deutlicher. Seit 2007 – also kurz vor Ausbruch der Finanzkrise – ist die Zahl derer, die die eigenen vier Wände als zum Vermögensaufbau geeignet bezeichnen, um über 100 Prozent gestiegen. Und um sechs Prozentpunkte auf 81 Prozent gestiegen ist der Anteil derer, die sich für eine Immobilie verschulden würden – sogar verbunden mit der Bereitschaft zu einem höheren Verschuldensanteil. Und wo bleibt die Aktie? Mit nur 12% der Nennungen weit abgeschlagen.

Auch die Postbank hat zum Sparverhalten eine Umfrage in Auftrag gegeben und jubelt: „Sparen macht glücklich.“ Wer spart, kann sich langersehnte Wünsche erfüllen. Und wer spart, verschafft sich selbst vor allem ein Gefühl von Sicherheit. Das Wissen, in schwierigeren Zeiten auf seine eigenen Rücklagen zurückgreifen zu können, sorgt zudem für eine größere Unabhängigkeit. Während 79 Prozent der Sparer mit ihrer aktuellen finanziellen Situation zufrieden sind, bewertet lediglich jeder zweite Nicht-Sparer die ihm zur Verfügung stehenden Geldmittel als positiv.

Etwas anders klingt es beim Bankenverband. Denn deren Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer hat sich gegen den Spar-Pessimismus angesichts der Niedrigzinsphase gewandt. Es sei aktuell noch wichtiger geworden, mehr auf die Seite zu legen – gerade in jungen Jahren, weil die Situation in der Altersvorsorge schwieriger geworden sei. „Sparen lohnt sich immer", sagte er in einem Interview zum Weltspartag. Aber Achtung, jetzt folgt die moderne Erkenntnis: Nachholbedarf gebe es allerdings noch beim Anlageverhalten: „Wir müssen schon den Kindern klar machen, dass es nicht nur das Sparbuch gibt." So könne man auf Produkte mit Aktienbezug ausweichen, auf Aktien- oder Indexfonds. Diese Anlageformen hätten langfristig immer die anderen bei der Rendite geschlagen. Applaus, Applaus!

Eigentlich ist längst alles gesagt, geschrieben und gefordert. Appelle ohne Ende, Informations- und Aufklärungsmaterial zur überragenden Rolle der Aktie gibt es zuhauf – leider ohne besondere Wirkung. Zwei Hürden auf dem Weg zu einer Aktienkultur in Deutschland lassen sich nur ganz schwer überwinden: Zum einen ist es die Fehleinschätzung von Risiko bei einem Großteil der Menschen – basierend auf Wissensdefiziten und Trägheit, sein Verhalten zu ändern. Zum anderen sind viele Sparer nicht ehrlich zu sich selbst – sie betonen nach außen gerne die Priorität von Sicherheit, suchen tatsächlich aber Sicherheit plus Wertsteigerung. Deshalb plädiere ich für eine Modernisierung der Terminologie, ohne gegen das Sparen zu sein. Nur sollte man den Begriff „Sparen“ möglichst durch „Anlegen“ und „Investieren“ ersetzen, damit sich mehr Deutsche verstärkt den Sachwerten zuwenden. Dass die Beteiligung an Unternehmen, also am Produktivkapital einer Volkswirtschaft, langfristig am sinnvollsten ist, dass ein Investment in Aktien langfristig sicherer ist als ein vermeintlich sicheres Portfolio von Staatsanleihen – das kann und sollte auch jungen Menschen vermittelt werden.

Deshalb unterstreiche ich den Wunsch von Hans-Jörg Naumer, Chefstratege von Allianz Global Investors: „Sparen Sie sich den Weltspartag! Investieren Sie lieber.“ Ich ergänze: Ein „Tag für Anleger“ wäre wichtiger!

Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!