11.11.16
Wieder einmal muss
an das Phänomen der Eigendynamik von Finanzmärkten erinnert werden.
Das wird leicht vergessen, wenn alle Akteure von großen Ereignissen
in Atem gehalten und möglicherweise veränderte Vorzeichen
diskutiert werden, wie nach dem überraschenden Wahlausgang in den
USA. Ohne an dieser Stelle Donald J. Trump und seine mutmaßlichen
Pläne zu würdigen – der Wendepunkt war seine Dankesrede
unmittelbar nachdem sein Sieg feststand. Erinnerungen an die
Erfahrungen mit Ronald Reagan wurden an der Wall Street wach, eine
vorsichtige Neubewertung von Trump setzte ein, aus Baisse entwickelte
sich Rückkaufsneigung. Der Herdentrieb der Großanleger mit der
kurzfristigen Sorge, eine Rally zu verpassen, trieb den Dow auf neue
historische Hochs.
Inzwischen haben
zahlreiche Strategen meine Beobachtungen bestätigt. Typisch die
Einschätzung eines amerikanischen Insiders: „In seiner Dankesrede
haben wir einen Unterschied zwischen dem Kandidaten Trump und dem
Präsidenten Trump gesehen." Tatsächlich wirkte er auf einmal
ruhig, nachdenklich, vor allem aber versöhnlich und berechenbar. Ich
selbst mag weder Trump, noch der jubelnden Börse jetzt schon trauen.
In Verbindung mit den offenen Fragen der Fed-Geldpolitik dürfte das
erste Quartal 2017 (das wird sowieso ein besonders politisch
geprägter Jahrgang) mehr Klarheit schaffen.
Interessant sind die
jüngsten Reaktionen und Prognosen namhafter Anlagestrategen. Hier
eine Zusammenstellung von Meinungen und Prognosen zu den
Aktienmärkten in kurzen Auszügen.
Pictet Wealth
Management: Wir erwarten, dass Risikomärkte kurzfristig weiter
unter der Ungewissheit leiden — möglicherweise mehrere Wochen —
und Volatilitätsspitzen verzeichnen werden, die auch den Dollar
beeinflussen. Danach werden sich die Märkte dem mittelfristigen
Ausblick zuwenden. Wenn sich abzeichnet, dass Donald Trump und ein
von den Republikanern dominierter Kongress eine Rückkehr zur
Angebotspolitik und möglicherweise eine Wende in der Fiskalpolitik
einläuten, könnte höheres Wachstum mehr Unterstützung für Aktien
und auf mittlere Sicht vielleicht auch für den Dollar bedeuten, wäre
aber ungünstig für Anleihen.
BMO Global Asset
Management: Wir erwarten Steuersenkungen und erhöhte Ausgaben
für Infrastruktur. Bei einer so niedrigen Arbeitslosigkeit bedeutet
das eine höhere Inflation und nur geringe Schaffung neuer
Arbeitsplätze und geringes Wachstum. Eine Trump-Regierung wird die
Notenbank Fed herausfordern und einer Prüfung unterziehen. Der
Zinsschritt im Dezember – bereits als nahezu sicher eingepreist –
steht nun in Frage. Wir meinen immer noch, dass die Fed die Zinsen
anheben wird, und dass die Chancen auf weiter steigende Zinsen
substantiell gestiegen sind. Aktien stehen vor Herausforderungen,
sollten sich aber besser als Anleihen entwickeln.
Carmignac:
Was die Aktienmärkte betrifft, so dürfte diese neue Entwicklung die
Sektorenrotation hin zu zyklischen Titeln und Value-Aktien, die
bereits seit einigen Monaten im Gange ist, natürlich noch
beschleunigen. Die entscheidende Frage wird jedoch die sein, wie die
Notenbanken mit diesem Wandel auf politischer Ebene umgehen und die
Anleihenmärkte das gestiegene Risiko im Hinblick auf die Inflation
und die finanzielle Stabilität einpreisen werden. Und diese beiden
Fragen offenbaren auch jene zwei Risikofaktoren, die mit Blick auf
das Jahr 2017 derzeit womöglich noch am meisten unterschätzt
werden: die Entwicklung der Anleihenmärkte sowie die Glaubwürdigkeit
der Notenbanken.
Fisch Asset
Management: Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten wird
bis auf Weiteres für erhöhte Unsicherheit an den Finanzmärkten,
bei den Unternehmen und Handelspartnern sorgen, da sein Wahlprogramm
in wesentlichen Punkten nicht genau fassbar ist. Unsicherheit wirkt
tendenziell kursdämpfend und volatilitätssteigernd. Da es sich aber
um eine politische Unsicherheit handelt, dürften die negativen
Effekte an den Börsen beschränkt sein, gemäß dem Motto
„Politische Börsen haben kurze Beine“.
Axa Investment:
Donald Trumps aggressive Pläne zur Fiskalpolitik könnten sich
positiv auf die US-Wirtschaft auswirken, indem sie private
Investitionen ankurbeln und die Produktivität steigern. Zugleich
könnten sie aber auch zu einer schnelleren Straffung der Geldpolitik
führen, was sich wiederum negativ auf das Wachstum auswirken dürfte.
Dadurch steigt mittelfristig wahrscheinlich die Verschuldung der USA.
Wir erwarten angesichts der gestiegenen Unsicherheit zunächst eine
Risk-Off-Reaktion der Märkte, gefolgt von einem Anstieg des
US-Aktienmarkts.
Voller Zuversicht
ist schließlich der viel beachtete Stimmungsreport der
Sentiment-Value-Spezialisten der Investmentboutique sentix: Sie
sehen nach dem Ausgang der US-Präsidentschaftswahl deutliche Chancen
für Investoren an den Aktienmärkten. Die Einschätzungen der
Anleger zu Donald Trump und zu den Folgen des überraschenden
Wahlausgangs auf die Börsenentwicklung seien derzeit zu negativ.
Gleichzeitig deuten die von sentix im Rahmen der wöchentlichen
Kapitalmarktumfrage bei rund 5.000 Anlegern erhobenen Daten auf ein
sehr positives Umfeld für die Konjunktur und den Aktienmarkt hin.
Thomas
Müller: „Trump-Kurse sind Kaufkurse!“
Meine Kollegen vom
Börsenverlag sind ebenfalls voller Zuversicht. Dazu ein kurzer
Ausschnitt aus einem Interview zur US-Wahl mit Börsenverlag-Vorstand
und BCDI-Initiator Thomas Müller (siehe boerse.de):
In der Vergangenheit
hat sich immer wieder gezeigt, dass die Aktienmärkte nach solchen
unerwarteten Ereignissen recht rasch zur Normalität zurückkehren.
Die Börsenweisheit, dass politische Börsen kurze Beine haben, wird
sich auch diesmal bewahrheiten. Schließlich wurde bisher noch jeder
Rücksetzer aufgeholt. Trump-Kurse sind Kaufkurse! Denn der
Rücksetzer an den Börsen beruht lediglich auf einer kurzfristigen
Unsicherheit, und die Geschichte lehrt, dass solche Ereignisse stets
großartige Einstiegsgelegenheiten eröffnen. Das hat sich bspw. auch
nach dem Brexit-Votum der Briten im Juni herausgestellt. Unmittelbar
nach dem ersten Schock starteten an den Aktienmärkten mächtige
Kurs-Rallyes. Die Geschichte wiederholt sich zwar nicht exakt, aber
sie reimt sich. Daher bin ich überzeugt davon, dass sich jetzt
großartige Kaufgelegenheiten bei Aktien eröffnen.
Machen Sie weiter
mit – und machen Sie’s gut!