Aktienmärkte: Berichtssaison ist jetzt wichtiger als Draghi

15.07.17

Mal ganz ehrlich (wie immer): Für Börsianer aller Art gibt es momentan wenig Neues. Und das spiegeln auch die Kurse wider. Fast könnte man meinen, die Ferienzeit würde sich auswirken. Aber auch die Aktienmärkte benötigen ab und an längere Verschnaufpausen, insbesondere nach kraftvollen Anstiegen. Außerdem bleiben Fragzeichen, nämlich die eine gewisse Unsicherheit ausstrahlenden „Drei großen G“: Geldpolitik, Geopolitik, Globale Konjunktur.




Was stellen unsere Verhaltensforscher fest? Börsianer und Devisenhändler scheinen derzeit eine unterschiedliche Sichtweise der Finanzmärkte zu haben. Denn während der Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dollar seit der wichtigen Rede Mario Draghis im portugiesischen Sintra vor zwei Wochen vor allem während der vergangenen Tage deutlich zugelegt hat und Analysten mittlerweile von einem noch höheren Wechselkurs ausgehen, halten sich die Aktienhändler eher bedeckt. Zumindest was die vergangenen Handelstage angeht, scheint sich bei den Devisenhändlern die Meinung verfestigt zu haben, dass der EZB-Präsident – entgegen der Relativierung durch manche Ratsmitglieder – einen wesentlichen Impuls dafür gegeben hat, dass sich die Zentralbank zumindest gedanklich demnächst mit einem Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik befassen dürfte: Der Euro hat seither um mehr als 2 Prozent gegenüber dem US-Dollar an Wert gewonnen.


Diese Meinung scheint sich bei den mittelfristig orientierten institutionellen Anlegern, die im Auftrag der Börse Frankfurt allwöchentlich befragt werden, zumindest während der vergangenen 14 Tage nicht so richtig durchsetzen zu wollen. Zum zweiten Mal hintereinander wird ein anziehender Börse Frankfurt Sentiment-Index festgestellt, der sich zwar noch in negativem Terrain befindet, aber gegenüber der Vorwoche erneut gestiegen ist.


Unter dem Strich ist gerade bei den institutionellen Investoren noch ein leichter Optimismus erkennbar. Doch wird dieser relativiert durch einen Börse Frankfurt Sentiment-Index von -5 Punkten – der liegt nämlich mit der letzten Erhebung (Mittwoch) ziemlich genau auf seinem Sechs- Monats-Durchschnitt und ist damit als neutral einzustufen. So vermittelt die aktuelle Positionierung der Investoren den Eindruck, dass die Optimisten auf ein Aufbäumen des Dax warten. Denn das, was das Börsenbarometer manchem Optimisten bislang geboten hat, ist bislang zu wenig gewesen.

Internationale Investoren hingegen dürfen sich momentan vor allen Dingen über den gestiegenen Kurs des Euro (nicht nur gegenüber dem US-Dollar) freuen. Da der Anteil dieser Anleger in Aktien der Eurozone immer noch relativ hoch sein dürfte, ist jedoch nicht anzunehmen, dass diese Investoren im Falle einer erneuten Dax-Schwäche zu Hilfe kommen würden. Mit anderen Worten: Die Wetterlage für das Börsenbarometer bleibt ungünstig.


Diesen Eindruck der Sentiment-Analysten möchte ich nicht teilen, geschätzte Anleger. Die „vollendeten Tatsachen“ sprechen doch weiter für Aktien, nicht zuletzt für europäische Märkte. Denn die Wirtschaft brummt, bei allen Unterschieden, das Wachstum in der Gemeinschaft erstaunt selbst die Optimisten. Das bestätigen die meisten internationalen Großanleger ausdrücklich. Die Geopolitik ist demgegenüber in den Hintergrund gerückt – was sich freilich von einem Tag zum anderen wieder ändern kann. So bleibt die Geldpolitik als ewiger Diskussionsgegenstand der Profis – obwohl es in der Einschätzung der Folgen eines Kurswechsels der EZB kaum Kontroversen gibt.


Die meisten Volkswirte gehen davon aus, dass unsere Währungshüter im September einen Schritt in diese Richtung machen. Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters rechnen 72 Prozent der Ökonomen damit, dass die Notenbank dann das Abschmelzen ihrer billionenschweren Anleihekäufe gegen Null oder zumindest eine Verringerung des monatlichen Kaufvolumens beschließen wird. Rund 18 Prozent der befragten Ökonomen erwarten, dass die EZB mit einer Entscheidung zur weiteren Zukunft der Anleihekäufe noch bis Oktober warten.


In der kommenden Woche gilt die EUB-Sitzung als das wichtigste Ereignis. Den jüngsten Spekulationen über eine vorzeitige Anpassung der expansiven Geldpolitik dürfte die EZB keine neue Nahrung geben, vermuten die Helaba-Analysten. Deshalb sollte die jetzt angelaufene Berichtssaison der Unternehmen von größerer Relevanz für die Börse werden. Skeptiker warnen, dass nach dem positiven Auftakt in den USA eine gewisse Ernüchterung nicht ungewöhnlich wäre. Daher sollten die jüngsten Anstiege der führenden Aktienindizes auf beiden Seiten des Atlantiks nicht einfach so fortgeschrieben werden. Klingt plausibel, doch bin ich kein Skeptiker und sehe vor allem Europa weiter auf der Sonnenseite.


Machen Sie also weiter mit und bleiben Sie wachsam – und machen Sie’s gut!