Börsenstimmung: Zwischen Trump-Problemen und Auto-Skandalen

29.07.17

An potentiell börsenrelevanten Ereignissen herrscht kein Mangel, klare Trends sind aber in keiner der Kern-Anlageklassen auszumachen. Die meisten Märkte machen derzeit eher einen orientierungslosen Eindruck. Dabei verläuft der Handel meist sommerlich müde. Immer wieder ist eine gewisse Unsicherheit über dieses oder jenes zu spüren, nach wie vor aber keine große Nervosität. Deshalb fällt es schwer, neue strategische Empfehlungen auszusprechen.




Schlagzeilenträchtige Nachrichten in diesen Tagen verhindern eine eindeutige Meinungsbildung. Zwei Beispiele. Welche folgen werden, welche Folgen können die Skandalmeldungen über der deutschen Automobilindustrie haben? Geht es mit Donald J. Trump jetzt endgültig abwärts, was Wall Street und Dollar nachhaltig belasten dürfte?


Auch das Verhalten der deutschen Anleger lässt keine eindeutige Aussage zu. Die Mehrheit sieht trotz der Belastungsfaktoren wie dem starken Euro und den Vorwürfen gegen die deutsche Automobilbranche ein Ende der Korrektur, so die Erkenntnis der Sentiment-Erhebung zur Wochenmitte. 10 Prozent der professionellen Investoren haben seit dem vorangegangenen Mittwoch Dax-Aktien gekauft, von den privaten Anlegern immerhin 1 Prozent. Jeweils 4 Prozent sind aus ihren Short-Positionen herausgegangen. Die Sentiment-Indizes stehen vergleichsweise neutral.
Der für die Frankfurter Wochenanalyse zuständige Verhaltensökonom Joachim Goldberg sieht in der Einkaufstour keinen „Befreiungsschlag". Dies seien typischerweise keine längerfristigen Engagements, so dass bereits bei 12.450/500 Punkten mit Gewinnmitnahmen zu rechnen sei. Der Sentiment-Index über seinen Halb- bzw. Vierteljahresdurchschnitten bedeute relativ betrachtet eine leichte Belastung deutscher Aktien.


Die aktuelle Tagesberichterstattung in den Medien mit den üblichen Analystenstatements verdient unverändert eine kritische Würdigung, denn da wird Zweifelhaftes und Widersprüchliches weitergereicht und nachgeplappert. Umso bemerkenswerter ist eine vor mir voll begrüßte Darstellung von Stefan Rondorf, Senior Investment Strategist bei Allianz Global Investors, die er in seiner Wochenvorschau formuliert hat. Da dieser Teilaspekt nicht unterschätzt werden sollte, hier der Wortlaut: „Als Berufseinsteiger bekam ich damals auf meine regelmäßig geäußerte Verwunderung nach mir unerklärlichen Tagesbewegungen an den Finanzmärkten eine vergleichsweise einheitliche Antwort: „Falsche Frage“. Ich sollte es mir abgewöhnen, einzelne Tagesbewegungen genau erklären zu wollen. Das kann ich in der Zwischenzeit nur bekräftigen. Dennoch bleiben Tage mit
Stirnrunzeln. So bleibt die Aufwertung des Euro infolge der Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank am vergangenen Donnerstag verwirrend, hatte doch EZB-Präsident Mario Draghi sich sichtlich bemüht, jegliche Festlegung zu vermeiden, wann die anstehende Rückführung des Anleiheankaufsprogramms verkündet werden soll. Sogar die nach derzeitigem Erkenntnisstand eher hypothetische Möglichkeit, die quantitative Lockerung nochmals auszudehnen, blieb im geldpolitischen Statement erhalten.“


Damit will ich den Medien aber keine Mitschuld am grundsätzlichen Verhalten der deutschen Sparer zuschreiben, denn nicht nur die Fachpresse leistet einiges an Aufklärungsarbeit über sinnvolles Anlegen. Leider hat sich das Bild hier kaum verändert, wie eine neue Betrachtung von Comdirect belegt, die von einem „deutschen Sparparadoxon“ sprechen: Während der Realzins für Tagesgeldanlagen weiter sinkt, wird genau diese Anlageform immer häufiger genutzt. Im Schnitt hortet jeder Deutsche aktuell 14.900 Euro auf Tagesgeldkonten. Zum Vergleich: In Aktien hat jeder Deutsche durchschnittlich rund 3.500 Euro investiert. Ebenso viel liegt auf Festgeldkonten. In Spareinlagen, etwa Sparbuch und Prämiensparen, hat jeder Bundesbürger derzeit rund 7.100 Euro angelegt. Die Tagesgeld-Rendite liegt seit 2008 pro Jahr im Schnitt bei minus 0,61 Prozent. Die Deutschen erzielen somit also keine Rendite, sondern machen Verlust. Gleichzeitig steigt das Volumen von Tagesgeldkonten immer weiter.


Damit ist Tagesgeld bei den Anlegern deutlich beliebter als andere festverzinsliche Geldeinlagen. Spareinlagen etwa weisen mit einem durchschnittlichen jährlichen Realzins von 0,03 Prozent seit 2008 lediglich ein Volumenwachstum von 1 Prozent auf. Festgeldprodukte haben sogar deutlich an Beliebtheit eingebüßt – trotz eines vergleichsweise hohen Realzinses von plus 0,81 Prozent.
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Machen Sie weiter mit und bleiben Sie wachsam – und machen Sie’s gut!