Aktienanlage: Jetzt verstärkt die Unternehmensprognosen beachten

14.02.18

Ausgerechnet zum Höhepunkt der „fünften Jahreszeit“ präsentieren sich die Aktienmärkte erholt und in guter Kondition. Nein, die allgemeine Unsicherheit über die weiteren Börsenaussichten ist damit nicht verflogen. Aber es erweist sich als richtig, nicht in Panik zu verfallen und auch an schwächeren Tagen gelassen zu bleiben. Der VDax, unser „Angstbarometer“, spiegelt das wider. Denn nachdem er noch zum Jahresauftakt auf einem historisch niedrigen Level von gut 10 Punkten dümpelte, schoss er steil auf ca. 40 in die Höhe und hat sich inzwischen wieder auf gut 20 normalisiert.




Bestätigt haben sich inzwischen auch die Prognosen zunehmender Volatilität der Kurse. Kurz- bis mittelfristig orientierte Anleger sollten künftig stärker nach Einzelwerten differenzieren und nicht ganze Märkte kaufen. Dabei bleiben internationale Investoren auch nach den Schwächeanfällen der vergangenen Wochen besonders für europäische Aktien positiv gestimmt – basierend auf der fundamentalen Entwicklung: Anhaltend gute Konjunkturdynamik befeuert Unternehmensgewinne, Bewertungen immer noch moderat.


Dazu kommen zyklische Vergleiche. Ein Blick auf vergangene Zyklen zeige, betonen die Vermögensverwalter der GAM, dass europäische Aktien aktuell keineswegs übermäßig hoch notierten: Seit dem Tiefpunkt des Marktes im Jahr 2009 erzielten US-Aktien doppelt so hohe Erträge wie ihre europäischen Konkurrenten. In ähnlicher Weise liegen die Gewinne europäischer Unternehmen immer noch um mehr als 30 Prozent unter ihren Höchstwerten von 2007, während die US-Gewinne diesen Höchststand bereits im Jahr 2011 übertrafen und zum jetzigen Zeitpunkt fast 40 Prozent über dem Hoch von 2007 notieren.


In diesem Zusammenhang halte ich eine neue EY-Untersuchung (Ernst & Young) für besonders bemerkenswert: „Unternehmen verfehlen immer häufiger ihre Gewinn- und Umsatzprognosen – neuer Rekord bei Prognosekorrekturen.“ Danach müssen immer mehr börsennotierte Unternehmen trotz boomender Konjunktur ihre Prognosen nach unten korrigieren: Im vergangenen Jahr wurden 95 Gewinn- oder Umsatzwarnungen gezählt – das waren 44 Prozent mehr als im Vorjahr und der höchste Wert seit 2011, als die Analyse erstmals durchgeführt wurde. Gleichzeitig stiegen aber auch die positiven Korrekturen, bei denen die Unternehmen das Übertreffen ihrer bisherigen Prognosen ankündigen, auf einen neuen Höchststand: Ihre Zahl hat sich im Vergleich zu 2016 von 89 auf 199 mehr als verdoppelt. Insgesamt stieg die Zahl der positiven oder negativen Prognosekorrekturen damit um 90 Prozent von 155 auf 294.


Besonders viele positive Überraschungen hatten im vergangenen Jahr die Dax-Konzerne zu vermelden: 57 Prozent haben ihre Prognose im Verlauf des Jahres mindestens einmal nach oben korrigiert – mehr als in allen anderen Segmenten. Und nur 10 Prozent der Unternehmen haben eine Gewinn- oder Umsatzwarnung veröffentlicht, womit auch hier der Dax besser abschnitt als die anderen Segmente. 21 Mal haben Dax-Konzerne im vergangenen Jahr das Übertreffen ihrer Prognose angekündigt, nur drei Mal mussten die Unternehmen ihren Ausblick nach unten korrigieren.


Interessant ist die Interpretation dieser Ergebnisse durch EY, die bedeutende Prüfungs- und Beratungsorganisation. Die extrem hohe Zahl von Prognosekorrekturen – unabhängig davon, ob nach oben oder nach unten – zeige, dass die weltweiten wirtschaftlichen und politischen Unwägbarkeiten inzwischen erhebliche Spuren im operativen Geschäft vieler deutscher Unternehmen hinterlassen. Trotz der insgesamt guten Konjunkturentwicklung bestehen weiter massive Unsicherheiten. 
Politische Entscheidungen sind weniger berechenbar geworden, weitere geopolitische Spannungen können jederzeit ausbrechen, neue Technologien haben teils massive Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Unternehmen.


Die Rekordstände von positiven und negativen Prognoseänderungen verdeutlichen das Maß an Unsicherheit und zeigen die Spanne der Volatilität. Im Durchschnitt sanken die Kurse der betroffenen Unternehmen am Tag der Gewinnwarnung um 7 Prozent und konnten sich auch in der Folgewoche nicht wieder erholen. Im Gegenteil, eine Woche nach Bekanntgabe der Gewinnwarnung lag der Aktienkurs im Durchschnitt um 8 Prozent niedriger als vor der Ad-hoc-Meldung. Wenn hingegen Unternehmen ein Übertreffen ihrer Gewinnprognosen ankündigten, führte das im Schnitt zu einem unmittelbaren Anstieg des Aktienkurses um nur um 2 Prozent – der sieben Tage später auf ein Plus von 3 Prozent stieg. Gewinnwarnungen werden von den Anlegern stärker bestraft als Anhebungen der Prognosen belohnt.


Dahinter verbirgt sich die grundsätzliche Erkenntnis, dass schlechte Nachrichten die meisten Menschen stärker beeindrucken als positive. Wenn sich die Märkte jetzt zunehmend unterschiedlich entwickeln und es vergleichsweise mehr als in einem klaren Trend auf die Entwicklung der einzelnen Branchen und Unternehmen ankommt, sollte die konsequente Risikobegrenzung (etwa durch Stop-Loss) bei kurz- bis mittelfristigen Investments nicht vernachlässigt werden.


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!