Börsenstimmung: Fondsmanager suchen andere attraktive Aktien

31.01.18

Beginnt jetzt die Zeit zunehmend nervöser Kursschwankungen, wie sie schon seit Längeren vorhergesagt wird? Es sieht danach aus – wenn man den bisherigen Jahresauftakt nimmt. Tatsächlich ist aber nicht viel geschehen. Und die Börsen beiderseits des Atlantiks sind unverändert in guter Kondition, auch wenn die historischen Höchststände nicht gehalten werden konnten. Gibt es neue Anlageziele? In einer Nachlese zum Mannheimer Fondskongress habe ich ein paar wirklich interessante Ansätze für strategische Änderungen aufgelesen.




Offen bleibt zunächst die Frage, ob es Grund für steigende Volatilität gibt. Amerikanische Investoren sind gestern Abend nervöser geworden: Der Volatilitätsindex VIX legte am Dienstag knapp 7 Prozent zu, während der Dow Jones 1,4 Prozent verlor. Ein Auslöser war der Renditeanstieg bei zehnjährigen US-Staatsanleihen auf über 2,7 Prozent. Diese Normalisierung des Zinsniveaus lässt der Konjunktur jedoch Luft. Kommentiert die Deutsche Bank: Wir taxieren den neutralen nominalen Zehnjahres-Zinssatz, bei dem sich die US-Volkswirtschaft im Gleichgewicht befindet, aktuell auf rund 3,5 Prozent. Auch Zinserhöhungen aufgrund der anziehenden Inflation belasten die Gewinne nicht, sofern die Unternehmen Spielräume für Preiserhöhungen nutzen können.


Der Fonds professionell Kongress in Mannheim in der vergangenen Woche war wie alljährlich voller interessanter Diskussionen. Einen Beitrag möchte ich heute hervorheben und ausführlich wiedergeben, denn der „Substanzwerte-Papst“ Hendrik Leber ruft einen Wandel seines Anlagestiels aus. „Wir Value-Investoren müssen uns verändern", sagte der prominente Acatis-Fondsmanager und verwies auf seine Fahrt zur letzten Hauptversammlung von Berkshire Hathaway. Dort habe Firmenlenker und Value-Legende Warren Buffett vor allem über verpasste Chancen sinniert. So habe er nie in Microsoft, Google oder Amazon investiert – damit sind ihm hohe Renditen entgangen.


„Ich will nicht in einer Ecke enden, weil ich blind Buffett nachahme", sage Leber in Mannheim. Daher müsse sich der Anlagestil grundlegend wandeln. Der technologische Fortschritt verlaufe immer rasanter. Das Adaptionstempo für Innovationen hat sich dramatisch erhöht. Bis das Auto weltweit nahezu flächendeckend etabliert gewesen sei, habe es 100 Jahre gedauert. Beim Smartphone seien es nur zehn gewesen. Die forcierte Geschwindigkeit krempelt auch die Unternehmenswelt um. 
„Die Lebensdauer von Firmen verkürzt sich", stellte Leber fest. Er verwies dabei auf das Alter der Unternehmen im US-Index S&P 500. Das sei von 50 auf im Schnitt 15 Jahre gesunken. Die vermeintliche Sicherheit von Ertragsriesen ist immer rascher gefährdet. „Das erodiert den Value-Stil und nimmt ihm seine Basis." Daraus zieht der Manager einen bedeutenden Schluss: "Früher
suchten wir die Gewinner der Vergangenheit, nun müssen wir den Gewinner der Zukunft suchen."


Seinen Sinneswandel verdeutlichte Leber anhand einiger Beispiele. So sei die Deutsche Bank zwar aus klassischer Sicht ein Substanzwert. „Doch das Institut ist tot mehr wert als lebendig." Als Beispiel für ein Unternehmen mit laufendem, guten Ertragswert führte er den kalifornischen Süßwarenhersteller See's Candies an, das ein Value-Unternehmen ganz im Buffett'schen Sinne sei. Als Ertragsbringer der Zukunft verwies Leber hingegen auf Alphabet, den Konzern hinter der Internetplattform Google.


Sympathisch klingt in meinen Ohren auch, was Jürgen Hackenberg von der Union Investment sagt: Europäische Aktien lohnen sich immer noch. Nicht nur diverse Wirtschaftsindikatoren, sondern die vielen Gespräche mit Unternehmensführern verschiedenster Branchen bestätigen seinen Optimismus. Beispiel Frankreich, wo die Wahl von Macron sowie dessen angekündigten Arbeitsmarktreformen die dortigen Entrepreneure investitionsfreudig gestimmt habe. Frankreich könnte daher mit einer zunehmenden Wirtschaftsleistung – sowie ehemalige Problemländer wie Spanien oder Italien – der europäischen Konjunktur zusätzlichen Rückenwind geben. Bezogen auf europäische Branchen erachtet der Fondsmanager Zulieferer für die Ölindustrie wie auch die Chemiebranche als interessant. Auch die deutschen Automobilhersteller dürften sich, was manchen überraschen mag, gut auf das neue Elektroauto affine Umfeld einstellen.


Und das Analystenteam der DJE Kapital AG fasst seine Einschätzung der Marktchancen 2018 wie folgt zusammen:

· Anhaltend gute Konjunktur spricht für zyklische Positionierung.
· Attraktive Bewertungen im Öl- und Gassektor.
· Elektrifizierung der Automobilindustrie begünstigt Nachfrage nach Rohstoffen wie Lithium, Cobalt, Nickel und Kupfer.
· Europäische Titel aus dem Gesundheitssektor rücken selektiv in den Fokus.
· Finanzdienstleister wie Banken und Versicherungen sollte man vor dem Hintergrund möglicherweise steigender Zinsen im Blick haben.


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!