Börsenstimmung: Politik bereitet mehr Sorgen als die Wirtschaft

21.04.18

Die Einschätzungen der fundamentalen Wirtschaftsperspektiven – und damit auch die Erwartungen für die Unternehmensgewinne – gehen zunehmend auseinander. Damit meine ich nicht die Spannweite der Konjunkturprognosen, sondern die Anzahl der Volkswirte und Analysten, die mit unterschiedlichen Meinungen gegenüberstehen. Das bremst die Aktienmärkte, jedoch ohne sie stärker zu belasten. Eindeutig mehrheitlich sind dagegen die Sorgen, wenn es um den Einfluss der (wirtschafts-)politischen Risiken geht.




Besonders deutlich ist die entsprechende Unsicherheit bei den Vermögenden – die haben ja auch besonders viel zu verlieren. In einer explorativen Studie zur Vermögensanlage, durchgeführt durch Kantar Added Value, zeigt sich aktuell, dass zwei Drittel der befragten Vermögenden eine zunehmende Dynamik an den Finanzmärkten verspüren. Kürzlich sind 63 sogenannte High-Net-Worth-Individuals (HNWI) mit einem Nettoeinkommen von mehr als 150.000 Euro pro Jahr und einem liquiden Vermögen von mehr als 1 Million Euro befragt worden. Die ganz aktuellen Ergebnisse zeigen, dass das Auseinanderbrechen der Eurozone und das Niedrigzinsumfeld nur noch 19 bzw. 14 Prozent der Befragten Sorge bereiten; die entsprechenden Werte lagen 2016 noch etwa doppelt so hoch. „Die Euro-Rettungspolitik der EZB scheint verstanden worden zu sein, die Vermögenden haben ihre Asset Allokation wohl angepasst. Eine Konsequenz, die nach neusten Erkenntnissen der Bundesbank auch in der Breite angekommen zu sein scheint“, so Dr. Sebastian Klein, Vorstandsvorsitzender der Fürstlich Castell’schen Bank.

Viel mehr Sorgen bereiten aktuell der Brexit und die wirtschaftlichen Pläne der Großen Koalition in Deutschland. 59 Prozent stehen dem Brexit negativ gegenüber (11 Prozentpunkte mehr als noch 2016). Allerdings werden starke oder sehr starke Kapitalmarktkonsequenzen nur noch von knapp 60 Prozent der Befragten erwartet, immerhin fast 20 Prozentpunkte weniger als noch 2016.

Auch bezüglich der neuen Regierung in Deutschland besteht Unsicherheit, lediglich 21 Prozent sehen deren Pläne als positiv an, 79 Prozent betrachten diese negativ oder neutral. „Für Vermögende spielt die politische Sphäre eine große Rolle. Sie betrachten deren wirtschaftliche Auswirkungen ganz genau. Eine deutlichere wirtschaftspolitische Positionierung der neuen Regierung scheint angezeigt. Hier kann der neue Wirtschaftsminister einen bedeutenden Raum füllen“, so Sebastian Klein.


Gemischte Ergebnisse liefern jetzt unsere Wirtschaftswissenschaftler: „Nach jedem Boom kommt ein Abschwung”, sagte Ökonom Oliver Holtemöller am Donnerstag in Berlin bei der Präsentation des Frühjahrsgutachtens für die Bundesregierung.
„Darauf sollte man vorbereitet sein.” In ihrer Gemeinschaftsdiagnose sagen die Institute zunächst aber mehr Wachstum, weniger Arbeitslose und hohe staatliche Überschüsse voraus. Das Bruttoinlandsprodukt soll in diesem Jahr statt der noch im Herbst erwarteten 2,0 nun um 2,2 Prozent zulegen. Für 2019 wird die Prognose von 1,8 auf 2,0 Prozent erhöht – es wäre bereits das zehnte Wachstumsjahr in Folge. „Der Boom, in dem sich die deutsche Wirtschaft befindet, hält an”, sagte der Leiter der Konjunkturforschung des federführenden Ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser. „Allerdings wird die Luft dünner, da die noch verfügbaren gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten knapper werden.”

Auch von dieser Seite kommen Seitenhiebe auf die Bundesregierung: Nach Einschätzung der Fachleute tut die neue Regierung bislang wenig, um für einen Abschwung gerüstet zu sein, sondern befeuert den aktuellen Boom noch – etwa durch höhere Renten und Kindergeld oder die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung.


Etwas Erfreuliches zum Thema Langfrist-Anlage: Wussten Sie, geschätzte Anleger, dass Abraham van Ketwich schon 1774 den weltweit ersten Investmentfonds auflegte? Der niederländische Kaufmann gab damit den Anstoß für eine Erfolgsgeschichte, die bis heute andauert. Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) hat zu Ehren van Ketwichs dessen Geburtstag – den 19. April – zum Weltfondstag erklärt. Dass sich das regelmäßige Sparen mit kleineren Beträgen lohnt, zeigt ein Blick in die Fondsstatistik: Wer in den vergangenen 30 Jahren jeden Monat 100 Euro in Aktienfonds mit Anlageschwerpunkt Deutschland angelegt hat, konnte Ende 2017 im Schnitt über Fondsanteile im Wert von etwa 123.000 Euro verfügen. Was von mir und meinen Kollegen immer wieder herausgestellt wird:

Geduld und Durchhaltevermögen zahlen sich aus. Denn in allen Fällen hatten die Sparer über den langen Zeitraum „nur“ 36.000 Euro investiert. Allerdings können die Ergebnisse von Fonds zu Fonds im Einzelfall beträchtlich voneinander abweichen. Man muss deshalb eine gewisse Risikobereitschaft und Zeit mitbringen, um Kurstiefs auch „aussitzen“ zu können.


Und nicht zuletzt: Wer mit einem Sparplan Fondsanteile regelmäßig kauft, profitiert vom sogenannten „Cost-Average-Effekt“. Dieser Effekt beschreibt, dass ein Anleger durch den regelmäßigen Kauf von Investmentanteilen bei niedrigeren Kursen mehr Anteile und bei steigenden Kursen weniger Anteile erwirbt. Dadurch sinken langfristig die Durchschnitts-Einstandspreise.


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!