Anlagealternativen: Ja zur „Odysseus-Strategie“ – aber nicht allein

02.05.18

Viele fortgeschrittene Privatanleger entwickeln sich zu „Selbstentscheidern“, weil sie mit den Leistungen von Banken und Investmentfonds nicht zufrieden sind oder deren Kosten scheuen. Wie aber steht es um die Selbstbindung an eine Strategie, also um die Disziplin? Die ist häufig unterentwickelt. Allianz Global Investors (AllianzGI) schlägt Multi-Asset-Investments vor und liefert dazu als vergleichende Betrachtung die „Odysseus-Strategie“.

Wahrscheinlich haben auch viele von Ihnen, geschätzte Anleger, in ihrer Jugend Gustav Schwabs „Sagen des klassischen Altertums“ verschlungen. Einer meiner Favoriten ist bis heute Odysseus, weil er Stärke mit besonderer Klugheit und Raffinesse verbindet. Er ist ein großartiger Held der griechischen Mythologie und gehört zu den bekanntesten Heroen im Trojanischen Krieg. Seine dabei vollbrachten Taten werden von Homer in der Ilias geschildert, darunter seine zehnjährige Irrfahrt auf der Heimreise in der Odyssee. Während all seiner Abenteuer zeichnete er sich vor allem durch außergewöhnlichen Verstand und listige Ideen aus.




Hans-Jörg Naumer, der von mir besonders geschätzte Kapitalmarkt-Vordenker von AllianzGI, wirft die Frage auf, inwieweit Multi-Asset-Fonds ein geeignetes Mittel der Selbstbindung sein können – ein Mittel also, dass den Anlegern bei der Selbstüberlistung hilft. Der Grundgedanke der Selbstbindung geht dabei zurück auf den antiken Helden Odysseus. In der nach ihm benannten Odyssee muss er eine ganze Reihe an Gefahren umschiffen. Einmal besteht die Herausforderung darin, unversehrt am Felsen der Sirenen vorbeizukommen. Diese sind bekannt für ihren schönen Gesang, der nur einem Zweck dient: die Seefahrer so zu verzaubern, dass sie an dem Felsen der Sirenen zerschellen und ums Leben kommen. Odysseus will natürlich die Fahrt überleben und dennoch die Sirenen hören. Die Lösung: Er versiegelt seinen Mitstreitern auf der Galeere die Ohren mit Wachs und lässt sich an den Mast des Schiffes fesseln. So sehr er auch an seinen Fesseln reißt und zerrt, seine Kumpane hören nichts und steuern an dem Sirenen-Felsen vorbei.


Die Lehre für die Anleger daraus lautet: Überlege dir eine Strategie, halte daran fest und erliege nicht den „Sirenen-Gesängen” der Kapitalmärkte, die dich mit immer neuen Meldungen zu einem hektischen Hin und Her bei der Anlage verleiten können. Halte Kurs. Können Multi-Asset-Fonds diese Funktion erfüllen? Wodurch zeichnen sie sich aus? Sie investieren in ein breit gestreutes Anlageuniversum, setzen also zum Beispiel auf europäische oder internationale Wertpapiere. Sie streuen über mehrere Vermögensklassen („Assetklassen”). Und sie belassen es nicht bei Staatsanleihen und Aktien. Vielmehr investieren sie beispielsweise auch in Anleihen von Unternehmen und von aufstrebenden Staaten oder in Rohstoffe und Immobilien.


Die Anteile der einzelnen Vermögensklassen werden hierbei in vielen Fällen aktiv gemanagt. Das heißt die Aufteilung erfolgt nicht statisch, sondern wird mit den Erwartungen des Fondsmanagers angepasst, etwa um erwartete Risiken zu verringern oder um Chancen zu erhöhen. Da Multi-Asset-Fonds sehr unterschiedliche Anlageprofile haben, können die Anleger im Hinblick auf ihre eigene Risikobereitschaft und Renditeerwartung aus unterschiedlichen Risikoprofilen auswählen. Beispielsweise können sie mehr auf Werterhalt setzen, oder auf Einkommen aus Dividenden und Kupons, oder sie orientieren sich stärker am Kapitalzuwachs und wählen überwiegend Anlagegattungen mit relativ höherem Risiko.


Multi-Asset-Fonds sind nach Darstellung von Naumer also geeignete Instrumente der „Selbstbindung“: Die Anleger legen ihre Strategie entlang ihrer Risikopräferenzen fest und übertragen die taktischen Ausführungen an das Fondsmanagement. Das hilft u.a. den „Home Bias” zu vermeiden (den ich im Gegensatz zu vielen Experten nicht kritisiere) und verdrängt bei den Anlageentscheidungen die fatalen Folgen von Angst oder Gier.


Der Vergleich mit der Odyssee gefällt mir. Und Multi-Asset-Fonds sind zweifellos attraktive Anlageinstrumente. Dennoch ginge mir solche Selbstbindung, die anderes ausschließt, zu weit. Natürlich kann ich nachvollziehen, dass Investmentfonds angesichts zunehmender Konkurrenz (ETFs, Zertifikate) und einer schwierigen Marktlage die Bedeutung von aktiv gemanagten Anlagen propagieren. Doch sollte das Geldanlegen – ähnlich wie das Geldausgeben – auch Spaß machen und den Selbstentscheider fordern. Nicht alle Reize der Börsen und alternativen Anlagen sind gleich tödlich, wie der Gesang der Sirenen. Und ein Anleger lernt besonders viel durch seine Fehler. Er hat es geschafft, wenn er sich für die Verlockungen zwar interessiert, aber nicht auf alle hereinfällt – auch ohne Selbstbindung an einen Mast.


Mache Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!