Deutsche Aktien: Der Dax lässt sich so schnell nicht vertreiben

12.05.18

Gewöhnung an politische Krisen und Rückkehr der Gelassenheit? So sah es im Verlauf der zurückliegenden Woche aus. Mich haben Dow und Dax überrascht. Für viele Investoren scheint das „Goldlöckchen“-Szenario an den Börsen zurückgekehrt zu sein (die Goldlöckchen-Metapher wird gerne benutzt, um einen Markt zu beschreiben, der einfach perfekt aussieht). Zwar stehen hinter allen wichtigen Einflussfaktoren längst Fragezeichen, doch haben die Skeptiker derzeit keine starken Argumente – insbesondere nach den jüngsten US-Inflationszahlen. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass das zweite Quartal nach der Delle eine Wiederbelebung des Wirtschaftswachstums bescheren wird.




Ich teile die Meinung von Analysten, dass man angesichts der Risiken schon von extremer Sorglosigkeit sprechen könnte. Doch stützen sich die Anleger offenbar auf einen wichtigen Verbündeten: die US-Notenbank Fed. Denn nachlassende Inflationssorgen dämpfen die US-Leitzinsfantasie. Viele Marktteilnehmer rechnen nunmehr damit, dass die Fed die Leitzinsen weniger aggressiv anheben wird. Dies hat zu einer Entlastung an den Rentenmärkten beigetragen. Darüber hinaus milderte die Erwartung einer nicht weiter auseinanderlaufenden transatlantischen Zinsdifferenz den Aufwertungsdruck auf den US-Dollar. Nur: Wie lange gilt dieses Szenario?


Natürlich haben auch die Sentiment-Analysten an der Börse Frankfurt beobachtet, dass während der vergangenen Handelstage viel von Risiken gesprochen wurde. Das jüngste davon ist ein politisches und betrifft die Aufkündigung des Atomvertrags mit dem Iran seitens der USA. Noch ist völlig unklar, welche Konsequenzen dieser Schritt haben wird. Eines der wichtigsten Argumente, gegenüber deutschen Aktien kritisch zu sein, ist jedoch der Stand des Dax, der sich nicht nur bei Abfassung des Wochenberichts am Mittwoch unweit der 13.000er Linie befand (und dann darüber kletterte)(, sondern innerhalb von fünf Wochen eine eindrucksvolle Rallye hingelegt hat, die in der Spitze für einen Wertzuwachs von fast 10 Prozent sorgte. „Das war zu stark und zu schnell", mögen sich – neben allen sonstigen drohenden Risiken – einige der mittelfristig orientierten Investoren, die allwöchentlich befragt werden, gesagt haben. Und wer sich in der Vorwoche noch als Bulle geoutet hat, dürfte sich, angesichts des Zuwachses des Börsenbarometers von 1,7 Prozent seit der vergangenen Erhebung, ohnehin über einen ordentlichen Gewinn gefreut haben. Zumindest ist der Börse Frankfurt Sentiment-Index gegenüber der Vorwoche um 25 Punkte eingebrochen, so dass sich nunmehr ein Stand von -17 Punkten ergibt. Dies ist gleichzeitig das schlechteste Stimmungsergebnis im laufenden Jahr.


Die jüngsten Verkäufe haben dem Dax bislang noch nicht wirklich schaden können. Allerdings ist fraglich, ob auf der anderen Seite ausländische Kapitalzuflüsse in Richtung Aktienmärkte der Eurozone tatsächlich stattgefunden haben. Zumindest spricht der auf den ersten Blick schwache Euro der vergangenen drei Wochen nicht für derlei Transaktionen im großen Stil.


Da gerade bei den institutionellen Anlegern nicht nur Angst und Skepsis vorherrschen, sondern eine nicht unbeträchtliche Gruppe von Akteuren mit den erwarteten Korrekturen eine Extra-Rendite einfahren möchte, dürften etwaige Abwärtsreaktionen beim Dax überschaubar bleiben, vermuten die Verhaltensforscher. Und das Überschreiten der 13.000er Marke trotz der Trump’schen Maßnahme bestätigte dies im Wochenverlauf. Zumindest ist auf tieferem Niveau (möglicherweise bei 12.600/12.650 Zählern) somit mit ordentlicher Nachfrage aus Rückkäufen zu rechnen. Ganz zu schweigen davon, dass die bisherigen Pessimisten bei einem weiteren Anstieg des Börsenbarometers in Argumentationsnöte geraten dürften, verbunden mit einer veritablen Short-Squeeze (am Donnerstag war es soweit). Mit anderen Worten: Dem Börsenbarometer geht es gar nicht so schlecht.


Das wird durch eine andere Argumentationskette unterstützt: Ein weltweites Wachstum auf ordentlichem Niveau und zwei Titanen (USA und China), die als weltweite Konjunkturlokomotiven fungieren, eine rege M&A-Tätigkeit, eine hohe Dynamik bei Aktienrückkäufen und eine gewisse Berechenbarkeit der Geldpolitik – keine schlechten Zutaten für die Abstützung der jüngsten Rallye, und dies trotz der berühmten Mahnung „Sell in May …“ Nicht wenige Anleger scheinen jedoch optimistischer in die Zukunft zu schauen und halten sich lieber an eine andere Devise: „Buy in May and sail away“!


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut