Viruspandemie, Rezession, Wirecard, Rassismus, Trump, Hunger, Flüchtlinge – trotzdem eine Zeit für Optimisten?

21.06.20

Die kurz- bis mittelfristige Zukunft von Wirtschaft und Börse hängt entscheidend vom weiteren Verlauf der Corona-Pandemie ab. Wenigstens darüber herrscht weitgehende Einigkeit in der Fachwelt. Ich will auf die in der Headline genannten Krisenherde (die Aufzählung ist nicht vollständig!) hier nicht vertiefend eingehen. Vielmehr sollten Sie die Stichworte als Fragezeichen betrachten, geschätzte Anleger, als Zweifel am Optimismus, den viele Akteure seit Wochen verbreiten (wenn auch mit vorsichtigen Einschränkungen). Bekanntlich bin auch ich von Hause aus ein „Börsen-Bulle“ und Förderer der langfristigen Aktienanlage. Doch sieht es momentan so aus, als würde die Welt aus den Fugen geraten. Deshalb ist zu befürchten, dass für Dow und Dax die Luft immer dünner wird – auch unabhängig von der mittlerweile erreichten Höhe.



Aktuell besonders folgenschwer ist der Schaden für den ganzen deutschen Börsenmarkt durch einen singulären Skandal – Wirecard. Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers gebe ich deshalb ein Schreiben in wesentlichen Auszügen wieder, das mich heute erreicht hat. Es bezieht sich auf meinen vorangegangenen Kommentar „Der Fall Wirecard wird noch mehr Aktionäre abschrecken" vom Freitag. Und das schreibt der Anleger:
„Leider kann ich Ihnen da nur zustimmen. Auch ich bin mir unsicher, wie ich nun weitermache. Ich habe mich seit vielen Jahren mal wieder aufs Börsenparkett getraut und habe mich nach langem Überlegen und Lesen der Zahlen für Wirecard entschieden. Einem Dax-Unternehmen, bei dem eine gewisse Sicherheit vorhanden sein sollte … Leider ist der Schaden für meine Verhältnisse nun groß. Das ersparte Geld, welches sich in einem großen Unternehmen über die nächsten Jahre vermehren sollte, werde ich wohl nun nicht wiedersehen.

Da klingen die Rufe vieler, welche Kleinanleger zum Aktienkauf ermutigen wollen, geradezu höhnisch. Denn die Firmen freuen sich, wenn die Deutschen mehr in Aktien investieren. Doch wer hilft einem Kleinaktionär nun? Jetzt einen Anwalt beauftragen, der wieder hunderte von Euro haben möchte, mit ungewissem Ausgang?“

Zum Trost (kein Sarkasmus!) möchte ich diesem und anderen leidgeprüften Privatanlegern kurz meine Lieblingsanekdote ans Herz legen. Sie soll sich angeblich während der Glanzzeiten der 1920er Jahre in Berlin ereignet haben:
Ein junger, noch unerfahrener Journalist entdeckt auf der Straße einen bekannten Privatbankier, dessen Tür sich für ihn bisher nie geöffnet hatte. Aufgeregt zückt der Volontär einen Notizblock und spricht den Finanz-Promi an: „Bitte, nur eine einzige Frage: Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?“ Nach kurzem Zögern antwortet der Bankier: „Dafür brauche ich nur zwei Worte – richtige Entscheidungen.“ Der Journalist notiert hastig und legt nach: „Ja, das ist klar, aber sagen Sie mir bitte, wie Sie zu richtigen Entscheidungen kommen!“ Das Echo des Bankiers: „Dafür brauche ich nur ein einziges Wort – Erfahrung.“ Der Pressemann will es jetzt genau wissen: „Aha, aber dann verraten Sie mir bitte noch, wie man Erfahrungen sammelt.“ „Nun, junger Freund, dafür brauche ich wieder zwei Worte – falsche Entscheidungen.“