Der (Impf-)Stoff, aus dem die Anlegerträume sind

 27.08.20

Kein neuer Bestseller von Johannes Mario Simmel, aber ein aktueller Traum vieler spekulativer Aktienfans: Dabei zu sein, wenn ein wirksamer Covid-19-Impfstoff entdeckt und auf den Markt gebracht wird. Kein Tag ohne hoffnungsvolle Meldungen aus Ost und West. Dass dies am Kapitalmarkt aufmerksam beobachtet wird, ist doch klar. Liegt in diesem dringenden Forschungsprojekt wirklich eine echte Chance für Investoren?

Grüner Fisher Investments hat sich dem Thema kritisch angenommen. Denn mehrere Unternehmen haben in den letzten Wochen verschiedene Fortschritte für einen wirksamen Impfstoff angekündigt. Zahlreiche Anleger fühlen sich ermutigt, auf den oder die möglichen Gewinner zu setzen und dadurch hohe Renditen einzufahren. Fazit der Analysten: Aus unserer Sicht ist diese „Strategie“ kein vernünftiger Ansatz für nachhaltig erfolgreiche Aktieninvestitionen.

Finanzmärkte sind effizient (eine umstrittene These) und zukunftsorientiert, sie verarbeiten weithin bekannte Informationen und bewegen sich schnell weiter. Angesichts der Aufmerksamkeit, die den forschenden Unternehmen und klinischen Studien gewidmet wird, basieren Investitionen, die an die neuesten Nachrichten zur Impfstoffentwicklung angelehnt sind, im klassischen Sinne auf bekannten Informationen. Man sollte den Märkten besser nicht unterstellen, dass sie sich vor einem Thema verschließen, auf welches die Augen der ganzen Welt gerichtet sind.

Nach Angaben des US News & World Reports sind aktuell über 100 Impfstoffe in Arbeit, von denen sich etwa ein Fünftel bereits in Studien am Menschen befindet. Den Gewinner zu identifizieren entspricht aktuell also einer Chance von etwa 1 zu 20. Selbst wer über mehrere potenzielle Gewinner hinweg „diversifiziert“, verbessert seine Erfolgsaussichten nur wenig. In der Preisbildung jedes beteiligten Unternehmens ist die Hoffnung auf eine erfolgreiche Zulassung bereits berücksichtigt. Selbst wer den tatsächlichen Gewinner in seinen Reihen hält, muss gleichzeitig auch die Enttäuschung bei den konkurrierenden Unternehmen in Kauf nehmen – so kann der positive Effekt eines Volltreffers sehr schnell verpuffen.

Interessant auch folgende Kritik: Generell basiert die Vorstellung, über Investitionen in den Gewinner des Impfstoff-Rennens extreme Renditen zu erreichen, auf einer falschen Prämisse: Der Impfstoff selbst muss dazu extrem rentabel sein. Zum einen gehen wenige Experten davon aus, dass ein Unternehmen ein Monopol für den angebotenen Impfstoff haben wird. Zwei Kandidaten, die mit der Unterstützung der US-Regierung arbeiten, haben bereits angekündigt, ihren möglichen Impfstoff nicht gewinnorientiert anzubieten. Zum anderen sind die Vorabzahlungen der Regierungen nicht unerheblich. Tendenziell sehen sich die beteiligten Unternehmen als „Dienstleister für die Öffentlichkeit“ – im Grunde können sie auch gar keine andere Haltung einnehmen. Wer auf die Idee kommen würde, exorbitante Preise für einen wirksamen Covid-19-Impfstoff aufzurufen, könnte dem extremen politischen Druck nicht lange standhalten.

Empfehlung für Sie, geschätzte Anleger: Sie sind gut beraten, den Fokus nicht zu sehr auf das Impfstoff-Rennen zu legen. Trotzdem bleibt der Gesundheitssektor natürlich ein wichtiger Bestandteil einer vernünftig diversifizierten Strategie. Pharmaunternehmen erzielen in der Regel den größten Anteil ihres Gewinns mit Krankheitsbehandlungen, die hohe Margen haben und längerfristige Anwendung finden. Deshalb möchte ich ergänzen: Nichts gegen das Spekulieren in einzelnen Impfstoffkandidaten, aber bitte trennen von der längerfristigen Kapitalanlage in das vielversprechende Thema Healthcare – das Gesundheitswesen gehört heute und morgen zu den internationalen Investmentfavoriten!