Jetzt keine Zeit für neue Anlageentscheidungen
22.06.25
Krieg. Jetzt ist alles möglich. Selbst panikartige Reaktionen der Märkte auf die Zuspitzung des Nahost-Konflikts wären keine Überraschung.
Die Ausgangslage für die Börsenbeurteilung hat sich am Wochenende dramatisch verändert. Das Motto „Chancen in der Krise“ wurde geübt und von den Analysten propagiert. Typisch der wohlbegründete Optimismus, wie ihn Warburg-Stratege Carsten Klude vertritt: Die aktuelle Phase globaler Unsicherheit bietet trotz aller Herausforderungen beträchtliche Chancen für informierte Anleger. Gilt das auch jetzt noch?
Kludes Argumente: Während europäische Märkte bereits weiter vorausgelaufen sind als es die fundamentalen Rahmenbedingungen erwarten ließen, eröffnen sich in den USA nach der Korrektur neue Opportunitäten. Die Kombination aus verbesserter Bewertung, potenzieller Politikstabilisierung und struktureller Wirtschaftsstärke macht US-Aktien für die zweite Jahreshälfte 2025 besonders attraktiv. Denn nicht nur das Wirtschaftswachstum wird trotz aller vorhandenen Unsicherheiten und Probleme in den USA höher ausfallen als in Europa, auch die Unternehmen behalten ihren großen Vorsprung bei der Profitabilität.
Dies wird deutlich, wenn man einmal die für dieses Jahr erwarteten Gewinnwachstumsraten vergleicht: Die Dax-Gewinne sollen um knapp sieben Prozent zulegen, vor allem angetrieben von Adidas, Siemens Energy, Rheinmetall, SAP und Airbus. Dieser Wert ist okay, vor allem im europäischen Vergleich.
US-Aktien jetzt attraktiver?
Zwar sind auch für die US-Indizes die Gewinnprognosen für 2025 von den Unternehmensanalysten nach unten angepasst worden, allerdings fielen die Anpassungen geringer aus und die erwarteten Zuwachsraten sind im Vergleich zu den europäischen Indizes deutlich attraktiver: Für den S&P 500 wird ein Plus von gut neun Prozent erwartet, für die Nasdaq 100 knapp 16 Prozent, Nasdaq Composite fast 19 Prozent und für den Halbleiterindex Philadelphia SOX 28 Prozent.
Die geopolitischen Spannungen, so dramatisch sie auch erscheinen mögen, werden die langfristige Wachstumsdynamik der USA und der Weltwirtschaft nicht fundamental beeinträchtigen. Diese Aussage galt bis Freitagabend. Vielmehr zwingen sie zu notwendigen Anpassungen, die mittelfristig zu einer resilienteren und diversifizierteren Wirtschaft führen werden. Klude zum Wochenschluss: „In diesem Kontext halten wir einen optimistischeren Ausblick für gerechtfertigt – gegen den Strom der vorherrschenden Pessimismus-Narrative, aber im Einklang mit den fundamentalen Stärken der globalen Ökonomie.
Geldvermögen in Deutschland wächst langsamer
Private Sparer und Anleger mögen ein solches Bild. Im letzten Jahr wuchs das private Geldvermögen in Deutschland um 7,4% auf 9,4 Billionen Euro. Angetrieben wurde der dynamische Vermögensaufbau vor allem von einer hohen Ersparnis der privaten Haushalte sowie kräftigen Aktienkursgewinnen. Im laufenden Jahr dürfte die Sparquote zwar auf 10,8% sinken, im historischen Vergleich aber immer noch erhöht ausfallen. 2026, wenn Maßnahmen der Bundesregierung das Wirtschaftswachstum und den Konsum ankurbeln, dürfte die Sparquote weiter auf gut 10,5% sinken und sich dem Vor-Corona-Niveau annähern. Gleichzeitig nehmen die Immobilieninvestitionen der privaten Haushalte zu. Das deuten die Baugenehmigungen und das Neugeschäft mit Immobilienkrediten an.
Zu guter Letzt
Doch müssen wir schon bald ein neues Szenario skizzieren. Die nächsten Tage und Wochen versprechen – genauer: drohen – dramatisch zu werden. „Dank“ Trump. Achten Sie nicht nur auf die Börsen selbst, geschätzte Leser, sondern auch auf die Währungen und Rohstoffpreise. Einem alten Bekannten, der mich am Sonntag aufgeregt anrief, gab ich den Rat erst einmal cool zu bleiben und sein Portfolio unverändert zu belassen. Seine Kerninvestments sind Aktien und Gold.