Börseneinflüsse: Auf die Anleger kommen immer mehr Fragezeichen zu

09.05.18

Von den vielen Prognosen für den Aktienjahrgang 2018 stimmt eine jetzt schon: die zunehmende Volatilität der Kurse. Doch die ist nach kurzen Turbulenzen immer noch überschaubar und nicht abschreckend. Im Gegenteil, Stockpicker und Trader werden sogar ermuntert mitzumachen, um von den kurz- bis mittelfristigen Bewegungen zu profitieren. Ich halte es für wahrscheinlich, dass die Schwankungsbreite im weiteren Jahresverlauf noch zunehmen wird. Mit anderen Worten: Die Unsicherheit auf den Aktienmärkten steigt, weil hinter den Einflussfaktoren immer mehr Fragezeichen auftauchen – nicht zuletzt durch die geo- und wirtschaftspolitischen Entwicklungen.




Das gilt auch für die Konjunktur, deren Beurteilung durch Volkswirte und Analysten immer differenzierter ausfällt. Jetzt meldet das Ifo-Institut: Weltwirtschaftsklima hat sich verschlechtert. Der Indikator sank im zweiten Quartal von 26,0 auf 16,5 Punkte und befindet sich damit in etwa wieder auf dem Niveau des vierten Quartals 2017. Die Beurteilungen der Experten zur aktuellen Wirtschaftslage bleiben zwar unverändert günstig. Doch sind ihre Erwartungen deutlich weniger optimistisch als noch im Quartal zuvor. Gesamturteil: Der Aufschwung der Weltkonjunktur bleibt weiter intakt, jedoch schwächt er sich ab.


Das Wirtschaftsklima verschlechtert sich nahezu in allen Regionen. Sowohl die Beurteilung der aktuellen Lage als auch die Erwartungen fallen in den USA deutlich. In der Europäischen Union, in Lateinamerika, in den GUS-Staaten, im Nahen Osten und in Nordafrika kühlen sich die Erwartungen ebenfalls ab. Die Lage-Einschätzung verbessert sich dagegen abermals. Auch in den asiatischen Schwellen- und Entwicklungsländern trüben sich die Erwartungen ein. Die Lagebeurteilung bleibt hingegen in etwa unverändert.


Bemerkenswert ist durch andere Erhebungen ferner, wie intensiv Asien und allen voran China von den Profis der westlichen Länder unter die Lupe genommen werden – es vergeht keine Woche ohne einschlägige Analysen und Empfehlungen. Aktuelles Beispiel: In der CEP-Umfrage vom Mai gehen die Konjunkturerwartungen für China geringfügig um 0,3 Punkte auf den neuen Wert von minus 1,3 Punkten zurück. Der Indikator, der die Konjunkturerwartungen internationaler Finanzmarktexperten für China auf Sicht von zwölf Monaten wiedergibt, lässt sich gegenwärtig so interpretieren, dass sich die aktuelle Konjunktursituation wohl bis ins Jahr 2019 hinein unverändert fortsetzen dürfte. Die derzeitige konjunkturelle Situation Chinas wird mit einem Saldo von 25,0 Punkten nach wie vor recht positiv gesehen, obwohl die Bewertung gegenüber dem Vormonat um 5,3 Punkte zurückgeht. Der Mittelwert von 2,9 Punkten (seit Beginn der Umfrage im Mai 2013) wird noch immer sehr deutlich überschritten.


Die Prognosen für das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts liegen in der aktuellen Umfrage bei 6,7 Prozent für 2018 und 6,5 Prozent für 2019.
Die in den vergangenen Monaten erheblich gesunkenen Erwartungen zur Exportentwicklung Chinas haben sich etwas erholt. Der Saldo beträgt jetzt minus 10,6 Punkte, 8,9 Punkte mehr als noch im Vormonat. Der langfristige Durchschnittswert von 18,9 Punkten wird allerdings weiterhin erheblich unterschritten. „Dies zeigt, dass die Befürchtung eines Handelskrieges zwischen den Vereinigten Staaten und China die Erwartungen nach wie vor sehr belastet", sagt Dr. Michael Schröder, Projektleiter der CEP-Erhebung.


Bei der Beurteilung der Inflations- und Zinsperspektiven – zudem unter Berücksichtigung der steigenden Ölpreise – hat die Meinungsvielfalt schon vor Wochen spürbar zugenommen. Weitgehend unklar bleibt in Fachkreisen die Einschätzung der Folgen für Anleihen und Aktien. Nahezu einhellig gehen die Strategen inzwischen davon aus, dass es in den USA 2018 noch zwei bis drei Zinsschritte der Notenbank geben und das beschleunigte Tempo der Zinsanhebungen mindestens bis 2019 anhalten wird. Klar ist auch, dass bei uns die EZB dem nicht folgen kann und deshalb die Zinskluft zwischen den USA und Europa weiter zunimmt – das sollte sich auch in einem festeren Dollarkurs niederschlagen. Doch gibt es währungstechnisch auch andere Prognosen, die einen eher schwächeren Dollar gegenüber dem Euro sehen. Die Wechselkurse wirken sich erfahrungsgemäß auch auf Konjunkturverläufe und Unternehmensgewinne aus, damit letztlich auch auf die Börsenkurse.

Diffus bleibt eine Diskussion, die ich für besonders wichtig halte: Wie wirkt sich ein stärkerer Anstieg von Inflation und Zinsen auf die Aktienmärkte aus, wenn es zu einem anhaltenden, nachhaltigen Schwächeanfall am US-Rentenmarkt (Zinsanstieg = Kursrückgang) kommen sollte? 

Eine negative Ausstrahlung ist zu befürchten, insbesondere wenn im Laufe dieser Phase immer mehr institutionelles Kapital aus Aktien abgezogen wird, um es in die dann wieder attraktiver verzinsten Bonds zu investieren. Aber soweit sind wir noch nicht.

Nur der Vollständigkeit halber sei an die Unberechenbarkeit der geopolitischen Einflüsse erinnert, die fast immer wirtschafts- und handelspolitische Zusammenhänge aufweisen. Deshalb (obwohl ich nicht daran glaube): Das „Sell in May“ kann in diesem Jahr noch seine Berechtigung erhalten.


Machen Sie trotzdem weiter mit – und machen Sie’s gut