Was Börsenprofis für das neue Jahr empfehlen (2)
07.12.25
Viele Anleger fragen sich verunsichert, nach welcher Entwicklung im Börsenumfeld man sich 2026 richten sollte. Eine allseits überzeugende Antwort gibt es nicht. Das kommende Jahr könnte ähnlich wie 2025 verlaufen.
Um die Einstellung namhafter Investmentstrategen zu erkennen, greife ich deren jüngste Analysen / Prognosen auf. Die Strategen von Metzler widmen sich vor allem der Frage, was im kommenden Jahr das größere Risiko ist: Deflation oder Inflation? Denn 2026 dürfte zu einem Schlüsseljahr für die Geldpolitik werden. Während das Basisszenario der Frankfurter Banker von weitgehend stabilen Inflationsraten in Eurozone und USA ausgeht, bleiben die Risiken in beide Richtungen erheblich.
Eine mögliche Deflationsgefahr aus einem sich drehenden Kreditzyklus in Segmenten wie Private Debt und Leveraged Loans wird zwar als begrenzt eingeschätzt, doch die Kombination aus hohen Staatsschulden und sinkenden Leitzinsen – insbesondere in den USA – erhöht mittelfristig die Wahrscheinlichkeit erneuter Inflationsspannungen.
Inflationsrisiken am Horizont
Vor diesem Hintergrund stuft Metzler die Inflationsrisiken für 2026 klar höher ein als die Deflationsrisiken. Chefvolkswirt Edgar Walk erläutert in seinem Marktausblick, unter welchen Bedingungen die Zentralbanken ihre Rolle als Garanten der Preisstabilität behaupten können. Es gibt somit Gründe, optimistisch auf das Jahr 2026 für Deutschland zu blicken.
Der Populismus wird weiter zunehmen
Das Investment-Komitee des unabhängigen Vermögensverwalters Carminac vertritt in seinem aktuellen Ausblick die Ansicht, dass der Populismus weiter zunehmen wird. Das heißt, dass das globale Wachstum unverändert bei 3 % liegen wird, weiterhin angetrieben vom Boom bei den Investitionen in Künstliche Intelligenz, den Ausgaben für nationale Sicherheit und der ausgabefreudigen Fiskalpolitik.
Ein schwaches, ungleichmäßiges Wachstum zwingt die Regierungen dazu, den populistischen Weg weiter zu beschreiten, während die Zentralbanken gezwungen sind, diese fiskalische Blindfahrt zu monetarisieren.
Im Einzelnen heißt es zu den USA: Es ist zu erwarten, dass Präsident Donald Trump vor den Zwischenwahlen die Konjunkturmaßnahmen durch fiskalische und monetäre Hebel sowie Deregulierung der Banken ankurbeln wird. Zur Eurozone: Wirtschaftliche Beschleunigung dank des Plans von Bundeskanzler Friedrich Merz und fehlender Anpassungen in Frankreich. Angesichts des langsamen Tempos der Desinflation wird die EZB keine Änderungen vornehmen, sofern sich der Markt für französische Staatsanleihen weiterhin ruhig verhält.
Zu Carmignacs Anlagestrategie
Das robuste Wachstum, das durch expansive Fiskalpolitik getragen wird, kann sich nicht von der Dynamik und den hohen Bewertungen am Ende des Konjunkturzyklus abkoppeln. Die besten Anlageklassen bleiben Aktien und Unternehmensanleihen, während bei Staatsanleihen Vorsicht geboten ist. Der Mangel an Vielfalt bei den globalen Wachstumstreibern (KI, Verteidigung, Fiskalpolitik) erfordert maximale Diversifizierung über die verschiedenen Sektoren und Regionen hinweg. Anhaltende Inflation, fiskalischer Aktivismus und instabile Korrelationen zwischen Aktien und Anleihen erfordern eine selektivere und agilere Anlagestrategie, bei der eine aktive, globale und bewertungsorientierte Positionierung einen passiven Ansatz übertrifft.
US-Dollar bleibt trotz Schwäche dominant
Für Werner Krämer, Senior Economic Analyst bei Lazard Asset Management in Deutschland, ist die Währungsentwicklung 2025 kein Zufall: „Die Schwäche des US-Dollars spiegelt die disruptiven Effekte einer innen- und außenpolitischen Neuausrichtung wider, die zentrale Elemente der bisherigen Weltordnung infrage stellt. Wir erleben die erste echte Belastungsprobe für die globale Leitwährung – ausgelöst nicht durch externe Schocks, sondern durch politische Selbstverletzung.“
Politische Unsicherheit und fiskalische Hybris
Ein wesentlicher Belastungsfaktor ist aus Sicht Krämers der wachsende Zweifel an der fiskalischen Stabilität der USA. „Mit der ‚One Big Beautiful Bill‘ hat Washington ein Ausgabenprogramm beschlossen, dem es an jeglicher Gegenfinanzierung fehlt“, sagt er. „Die Zinslast des Bundeshaushalts liegt inzwischen bei 17 Prozent der Staatsausgaben – höher als der Verteidigungsetat. Das ist ein historischer Wendepunkt.“
Gleichzeitig nehme die politische Polarisierung innerhalb der USA weiter zu. Die Debatte über die Rolle und die Unabhängigkeit der Federal Reserve verunsichere Investoren zusätzlich. „Der US-Dollar verliert einen Teil seines jahrzehntelang stabilen politischen Fundaments“, erklärt Krämer. „Diese Unsicherheit schlägt zunehmend auf die Währung durch.“
Das Ende vertrauter Mechanismen
Besonders bemerkenswert ist für den Ökonomen, dass traditionelle Wechselkursbeziehungen nicht mehr zuverlässig funktionieren. „Früher führte ein Zinsanstieg in den USA nahezu automatisch zu Kapitalzuflüssen und einem stärkeren Dollar“, so Krämer. „Heute beobachten wir das Gegenteil: Investoren preisen politische Risiken ein, die in früheren Zyklen keine Rolle spielten.“
Auch das bekannte Muster des „Dollar Smile“ – wonach der Greenback sowohl in Boom- als auch in Stressphasen zulegt – habe an Aussagekraft verloren. Sogar geopolitische Spannungen oder erhöhte Marktvolatilität würden nicht mehr automatisch zu einer Flucht in den Dollar führen. „Das ist ein struktureller Bruch mit früheren Dynamiken“, betont Krämer.
Globale Kapitalströme verschieben sich
Für viele internationale Investoren habe diese Entwicklung unmittelbare Konsequenzen. Nach Jahren der Übergewichtung würden Anleger beginnen, ihr Dollar-Exposure zurückzufahren und breiter zu diversifizieren. Davon würden insbesondere Schwellenländer profitieren: Ein schwächerer US-Dollar reduziere dort die reale Schuldenlast, stärke lokale Währungen und erleichtere Kapitalzuflüsse.
„Diese Verschiebung erhöht die wirtschaftliche Eigenständigkeit vieler Emerging Markets – von Lateinamerika über Südostasien bis nach Afrika“, sagt Krämer. Auch asiatische Zentralbanken hätten bereits reagiert und mehrfach interveniert, um übermäßige Aufwertungen ihrer Währungen zu bremsen. Gleichzeitig bleibe die strukturelle Dominanz des US-Dollars intakt. Rund 88 Prozent aller Devisentransaktionen und fast die Hälfte des weltweiten Zahlungsverkehrs würden weiterhin in Dollar abgewickelt.
Digitalisierung als stiller Treiber des Wandels
Neben politischen und wirtschaftlichen Faktoren würden auch technologische Entwicklungen die Währungslandschaft prägen. Krämer unterscheidet dabei zwischen Stablecoins und digitalen Zentralbankwährungen (CBDCs).
„Stablecoins sind zu 99 Prozent an den US-Dollar gekoppelt und erweitern de facto die Reichweite des Greenback. Sie sind digitale Verlängerungen der Leitwährung“, erklärt er. „CBDCs hingegen haben das Potenzial, bilaterale Zahlungssysteme zu ermöglichen, die den Dollar als Abrechnungswährung umgehen.“
Aussicht: Moderate Schwäche, kein Kontrollverlust
Für die kommenden Quartale erwartet Krämer eine Fortsetzung der Dollar-Schwäche, jedoch ohne Krisencharakter. „Die Fed dürfte ihre Zinssenkungen fortsetzen, auch wenn das Tempo voraussichtlich vorsichtiger ausfallen wird, während sich EZB und Bank of Japan ihren geldpolitischen Wendepunkten nähern oder diese bereits überschritten haben“, so Krämer. „Das spricht für eine graduelle Anpassung – nicht für einen abrupten Einbruch.“ Sein Fazit fällt nüchtern aus: „Wir sehen keinen Zusammenbruch der US-Dollar-Dominanz, sondern eine realistische Neubewertung. Der Dollar bleibt das Rückgrat des globalen Finanzsystems, aber Investoren werden ihn künftig mit einer etwas höheren Risikoprämie versehen – und ihre Absicherungsstrategien entsprechend anpassen.“