Börsianer wollen die Wende schon vorwegnehmen

19.05.20

Das Börsengeschehen sorgt momentan für manche Überraschungen und Widersprüche. Insofern ist ein ähnlich irritierendes Bild wie im Umfeld der Finanzmärkte zu erkennen, auch wenn die Kursentwicklung heutzutage nicht mehr direkt die Wirtschaftsentwicklung wiederspiegelt. Gestern konnte man über die sportliche Kondition des Dax verwundert den Kopf schütteln, heute sind es (bei einem lahmenden Index) die Konjunkturerwartungen auf Basis der monatlichen Erhebung durch das Mannheimer ZEW.



Wie das? Obwohl das betont kurzfristige Handeln der Profis am Aktienmarkt (schnell rein, schnell wieder raus) inzwischen eine große Rolle spielt, wird von den Akteuren stets versucht, die Zukunft (auch lange im Voraus) vorwegzunehmen. Das zeigen die Ergebnisse der neuen ZEW-Umfrage, an der sich 202 Analysten und institutionelle Anleger beteiligt haben, besonders deutlich. Danach wird die konjunkturelle Lage für Deutschland als weiter „leicht verschlechtert“ beurteilt. Das ist alles andere als überraschend. Doch sind die Konjunkturerwartungen jetzt zum zweiten Mal in Folge gestiegen – der entsprechende ZEW-Indikator liegt nun bei 51,0 Punkten, das sind 22,8 Punkte mehr als im Vormonat. Das ist auf den ersten Blick schon erstaunlich. Kommentar der Forscher: „Die Zuversicht wächst, dass es ab Sommer zu einer konjunkturellen Wende kommen wird. Darauf weist auch der deutliche Anstieg der Branchenerwartungen hin.“ Im vierten Quartal dieses Jahres soll es nach Einschätzung der Finanzmarktexperten sogar wieder zu einer „stärkeren Zunahme“ der Wirtschaftsentwicklung kommen. Aber zugleich wird der Faktor Geduld mitgeliefert: Der Aufholprozess soll nämlich lange andauern. Erst 2022 dürfte unsere Wirtschaftsleistung wieder das Niveau von 2019 erreichen.

Ein großer Haufen von Meinungen, keine überzeugenden Prognosen. Deshalb sollten Sie, geschätzte Anleger, die Ergebnisse derartiger Erhebungen zwar ernst nehmen, aber nur (!) als ein Element Ihrer individuellen Planung betrachten. Denn die Experten können gerade wegen der Corona-Krise heute nicht wissen, wie sich die kommenden zwei Jahre entwickeln werden.