Lasst Euch überraschen, Anleger!

 13.07.21

Trotz der bekannten Risiken und entsprechenden Warnungen gibt es nicht genug Gründe, seinen Anlegerkopf in den sommerlichen Urlaubssand zu stecken. Die führenden Aktienindizes kraxeln ja nicht zufällig von einem zum nächsten Gipfel. Außerdem sei daran erinnert, dass die professionellen Propheten (Analysten, Fondsmanager, Vermögensverwalter) ihre Vorhersagen erfahrungsgemäß eher zu defensiv formulieren. Vorsichtshalber. Schließlich müssen Anleger auch mit Überraschungen leben lernen, denn die gibt es fast börsentäglich.

Die Strategen der Deutschen Bank sind gut gelaunt und machen mit Blick auf Wall Street neuen Mut: Sind die Erwartungen zum Start der neuen US-Berichtssaison zu niedrig, fragen sie heute. In den vergangenen drei Monaten haben die Analysten ihre Gewinnprognosen für den S&P 500 um 11 Prozent angehoben, so stark wie nie seit Beginn der Datenerfassung im Jahr 2000! Sie erwarten nun eine durchschnittliche Gewinnsteigerung von gut 60 Prozent zum Vorjahresquartal. Auch wenn die Erwartungen auf den ersten Blick hoch erscheinen, trügt der Eindruck (jedenfalls nach Einschätzung der Deutschbanker). Im Vergleich zu 2019 entspricht die Prognose nur einem Plus von 9 Prozent, dabei lagen die Gewinne im ersten Quartal satte 25 Prozent höher als im Vergleichsquartal 2019.

Angesichts positiver Corona-Entwicklungen in Europa und – im Vergleich zum Vorjahr – förderlicher Währungseffekte hoffen die Frankfurter Analysten, dass die Analystenschätzungen erneut zu niedrig liegen und übertroffen werden könnten. Starke Gewinne und zuversichtliche Geschäftsausblicke dürften sich sicherlich positiv auf die Stimmung am Markt auswirken, die in den letzten Wochen durch schwächere Konjunkturdaten in den USA und China gedämpft wurde. Nach mehreren Monaten mit relativ schwächerer Wertentwicklung sollten Zykliker und Substanzwerte in diesem Umfeld wieder etwas Boden gutmachen können.

Neues der grundsätzlichen Art liefert das Asset Management von Goldman Sachs, die das Verhalten privater Anleger genauer zu analysieren versuchen – Motto: „Aufstieg der Kleinanleger“. Das Handelsvolumen privater Anlagegeschäfte hat sich seit 2016 verdoppelt und macht nun etwa 20 % des durchschnittlichen Volumens der täglich in den USA gehandelten Aktien aus. Mit dem Angebot provisionsfreier Handelsgeschäfte haben neue Anbieter den öffentlichen Zugang zum Aktienmarkt erweitert und dabei Millionen neuer Marktteilnehmer angelockt. Und wie verhalten die sich an der Börse? Amerikanische Kleinanleger bevorzugen Aktien mit hoher Volatilität. Da Privatanleger meist auf der Suche nach der Aktie sind, die der nächste „Hauptgewinn“ sein könnte, bevorzugen sie häufig Aktien, deren Kurse stark schwanken, weil sie dadurch auf höhere Gewinne hoffen.

Zur Nachahmung von mir nicht empfohlen. Denn ich hoffe, dass Sie nicht nur so spekulativ agieren, geschätzte Anleger.