Wenn jetzt doch eine Baisse droht

 12.04.22

Sie sollten jetzt entscheiden, geschätzte Anleger, ob Sie weiter auf „Alles-wird-irgendwann-gut“ setzen oder eine weitere Zuspitzung der kritischen Entwicklungen im Börsenumfeld befürchten – insbesondere eine Eskalation des Ukraine-Kriegs. Die jüngsten Umfrageergebnisse sind nicht gerade ermutigend (konnte man auch nicht erwarten), andererseits aber nicht schlimmer als befürchtet. So gesehen kann man die anhaltende Gelassenheit der Börse (trotz temporärer Aktienschwäche) nachvollziehen. Mein ewiger Optimismus hat allerdings gelitten: Wie nie zuvor in den zurückliegenden Wochen und Monaten warnt mein Bauchgefühl vor den nächsten Schritten Putins. Denn eine militärische Ausweitung der Aggression zu einem Flächenbrand hätte katastrophale Folgen für ganz Europa.

Mit anderen Worten: Wenn nicht bald eine diplomatische Lösung gefunden wird (zumindest in die Wege geleitet werden kann), droht geopolitisch wie weltwirtschaftlich ein Desaster von historischem Ausmaß („Zeitenwende“). Für den Aktienmarkt hieße das: ein Crash mit einer legereren Baissephase. Nein, das ist nicht meine Prognose. Allerdings kann ich das Schlimmste inzwischen nicht mehr ausschließen.

Vom neuen ZEW-Indikator hatte ich ähnliche Skepsis erwartet. Doch ist das Ergebnis nicht hoffnungslos. Die vom Mannheimer Institut im Rahmen seines monatlichen Finanzmarktests befragten 163 Analysten und institutionellen Investoren sehen zwar eine weitere Eintrübung des Gesamtbilds. Doch stellen sich ihre Einschätzungen der Lage und der Erwartungen aktuell ähnlich dar wie zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020. Als kleiner Lichtblick gilt der Rückgang der Inflationserwartungen, wodurch der erhebliche Anstieg des Vormonats etwa zur Hälfte kompensiert wird.

Noch gelassener klingen die ebenfalls heute vorgelegten Ergebnisse einer Mitgliederbefragung der DVFA, des Berufsverbands der Investment Professionals, zu den Auswirkungen der Entwicklungen in der Ukraine. Die Mehrheit hält die bisherigen Sanktionen für angemessen. Die DVFA Investment Professionals sehen durch den Krieg in der Ukraine einen starken negativen Einfluss auf den Aufschwung. Sie sind aber auch verhalten positiv was die mittelfristige Entwicklung an den Aktienmärkten angeht, denn mehr als die Hälfte der Befragten hat die Gewichtung in den Portfolios unangetastet gelassen oder sogar antizyklisch ihr Exposure am Aktienmarkt verstärkt.

Ob Sie, liebe Leser, auf die jüngsten Entwicklungen reagieren oder nicht – und wenn ja, wie –, müssen Sie selbst entscheiden und dabei Ihre bestehende Portfoliostruktur berücksichtigen. Allein das Zusammentreffen von stark steigender Inflation, gefährlichen Energieversorgungsproblemen und konjunktureller Schwäche mit einem Krieg auf europäischem Boden kann eine ungeahnte Wucht entfalten! Ich hoffe sehr, dass sich mein Bauchgefühl irrt…