KUTZERS CORNER

Börsenprofis machen trotz Turbulenzen Mut 

11.08.24

Der Börsenhorizont hat sich noch nicht aufgehellt. Dennoch haben sich die meisten Profis bei aller Vorsicht zu einer positiven Einschätzung der Aussichten für Aktien durchgerungen.

Private Anleger mögen bedauern, dass Stimmung und Kurse weiterhin von den bekannten Unsicherheitsfaktoren beeindruckt werden. Dennoch kann man als eine Art Zwischenbilanz der turbulenten Sommerwochen zunehmend Gelassenheit und neuen Mut erkennen – zumindest aus Sicht betont langfristig planender Anleger. Trotz anhaltend hohen Schwankungen hat es zuletzt nämlich Ansätze für eine Kursstabilisierung gegeben. Mit anderen Worten: Volatilität, aber kein tiefer Kursverfall. Auffallend ist dabei, wie unterschiedlich die Bewegungen der einzelnen Teilmärkte ausfallen. Dazu kann ich beobachten, dass sich heimische und internationale Asset Manager Mühe geben, ihren Kunden auch in der aktuellen Phase konkrete Anlageempfehlungen zu geben. Beispiele: US-Staatsanleihen, Wandelanleihen, japanische Aktien, Small Caps Nebenwerte.

Vertrauen in die US-Wirtschaft

Typisch dafür die Haltung der Strategen von UBS Asset Management: In den USA deuten die jüngsten Wirtschaftsdaten nicht auf eine Rezession hin. Man hält derzeit immer noch eine sanfte Landung für das wahrscheinlichste Szenario. Risikofaktoren sind der sich abkühlende Arbeitsmarkt und Wachstumsschwächen außerhalb der USA, etwa in Europa und China.

Dabei heben die Schweizer hervor: „Für Investoren ist es entscheidend, in dieser Phase Besonnenheit zu bewahren und auf kurzfristige Marktschwankungen nicht mit Panik zu reagieren. Es gilt, die weitere Entwicklung der Zinspolitik zu beobachten und die kommenden Wochen abzuwarten. Angesichts der aktuellen Marktvolatilität ist eine ruhige und strategische Vorgehensweise unerlässlich, um langfristig erfolgreich zu navigieren.“ Im September dürfte die US-Notenbank die erste Zinssenkung verkünden. Und die bald beginnende Phase der synchronen globalen geldpolitischen Lockerung (mit Ausnahme von Japan) bietet ein vorteilhaftes Umfeld für Risiko-Assets. Fazit von UBS: „Die jüngsten Marktverwerfungen bieten daher gute Chancen für langfristige Investoren.“

Gesunde Entwicklung in einem „Bullenmarkt“

Ähnlich argumentiert man bei Grüner Fisher Investments, denn sie sehen auch einen positiven Aspekt: „Plötzliche Negativität hilft, die Stimmung und Erwartungen zurückzusetzen, und baut die sprichwörtliche ‚Mauer der Angst‘ des Bullenmarkts wieder auf. Wir halten dies für eine normale, sogar gesunde Entwicklung in einem Bullenmarkt.“ Versuche, den Beginn und das Ende solcher schnellen Stimmungsschwankungen zu timen, sind aus Grüners Sicht nicht erfolgsversprechend. Bevor man Schwankungen also mit emotionalen Reaktionen begegnet, sollte man tief durchatmen und sich in Erinnerung rufen, dass „Verkaufen aus Angst“ keine Strategie ist.

Märkte übertreiben im Sommer:

Der makroökonomische Ausblick bleibt positiv, glaubt Jared Franz, US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler bei Capital Group. Er argumentiert u.a. wie folgt: Wir befinden uns in der Sommersaison, in der die Marktliquidität gering ist, sodass die Märkte im Allgemeinen überschießen – egal ob positiv oder negativ. Das wird sich in den nächsten Wochen wohl kaum ändern, so dass er mit mehr Volatilität rechnet. Auf der wirtschaftlichen Seite sieht er in den Daten jedoch nichts, was auf einen drastischen Einbruch oder eine Veränderung der Fundamentaldaten der US-Wirtschaft hindeuten würde. Die meisten Daten lassen zwar eine Abschwächung der Wirtschaftstätigkeit erwarten, aber nicht unbedingt eine Kontraktion.

Der jüngste Ausverkauf an den Aktienmärkten war zwar schnell und heftig, aber er betraf vor allem die so genannten Momentum-Aktien, also Aktien, deren Kurse eine Zeit lang in eine bestimmte Richtung tendiert haben. Viele Dividendenzahler und Qualitätsunternehmen, sprich Unternehmen, die in naher Zukunft einen sichtbaren Cashflow generieren, haben sich relativ gut gehalten.

Umschichten in Wandelanleihen

Fisch Asset Management sieht sich mit ihrem seit geraumer Zeit defensiven Ansatz und der vorsichtigen Positionierung bei risikobehafteten Anlagen bestätigt: Die Nervosität an den Börsen ist zusätzlich zu den genannten Faktoren aufgrund wenig überzeugender Quartalsergebnisse einiger Tech-Schwergewichte signifikant angestiegen. Hinzu kommen eine schlechte Saisonalität im August und September und wieder steigende geopolitische Risiken im Nahen Osten. Weiter heißt es in der jüngsten Analyse: „So wurden unsere Verkaufssignale ausgelöst.. Aktuell bleiben wir neutral bis leicht defensiv positioniert bei Aktien- und Kreditexposure. Aufgrund des beschriebenen Umfelds würden wir aufgrund des interessanten asymmetrischen Chancen-/Risikoprofils bereits jetzt von Aktien in Wandelanleihen umschichten. Zudem fokussieren wir uns bei Unternehmensanleihen auf Schuldner mit solider Bonität – auch im High-Yield-Segment.“

Übertriebener Pessimismus unbegründet

Auch die Experten der DekaBank machen den Anlegern Mut: „Wir gewichten die Risiken durchaus auch etwas höher, doch erscheint uns übertriebener Pessimismus unbegründet. Das Hauptszenario besteht weiterhin darin, dass die Weltwirtschaft mit einem moderaten Tempo im Bereich von 3 % expandieren wird. Es steht kein mitreißender Aufschwung bevor, aber eben auch keine Rezession. Vor diesem Hintergrund gibt es weiterhin konstruktive Perspektiven sowohl für die Aktienmärkte als auch für die Rentenmärkte. Kurzfristig mag dies noch mit erhöhten Kursschwankungen einhergehen. Doch bieten die stabile Konjunktur und die Gewinnsteigerungen der Unternehmen trotz der gestiegenen Risikowahrnehmung an den Märkten den Rahmen für eine baldige Wiederaufnahme des Aufwärtstrends an den Börsen.“

Längere Phase von nervösen Börsen?

In meinen Augen bleiben vor allem die geopolitischen Risiken unkalkulierbar. Ungeachtet von Konjunktur und Zinsen drohen von dieser Seite schlimmstenfalls schwere Belastungen für die Finanzmärkte. Wer von Ihnen, geschätzte Anleger, seine Kriegsängste nicht verdrängen kann, sollte bis auf weiteres (eine Zeitspanne dazu kann ich nicht nennen) seine ganz langfristigen Investments weiter pflegen und frisches Kapital vorsichtshalber für eine Aufstockung seiner Liquidität nutzen.