Inflation, Zinsen runter – Dax weiter rauf
01.09.24
In Fachkreisen herrscht weitgehende Einigkeit: Aktienkäufe lohnen sich auch auf dem hohen Niveau, denn sie werden weiter auf Rekordkurs bleiben. Die „Börsen-Bullen“ beherrschen den Markt.
Günstige Voraussetzungen
Ist nun alles bereitet, damit es bald Dax 20.000 heißt? Gegenwärtig ergibt sich eine günstige Mischung aus einem moderaten, aber stetigen Wachstum der Weltwirtschaft, einer nachlassenden Inflation und einer US-Geldpolitik, die nun am Beginn ihres Zinssenkungszyklus steht. An den Börsen wird dieses sogenannte „Goldilocks-Szenario“ bereits gefeiert.
Die Inflation ist in Deutschland unter die Zwei-Prozent-Grenze gefallen, bei der die EZB von Preisstabilität spricht. Trotzdem sind die Preise alles andere als stabil. Und die Konjunkturmeldungen sind bei uns zunehmend negativ, zumindest skeptisch. Die Benzinpreise und Strompreise liegen im Vorjahresvergleich deutlich niedriger. Beruhigt hat sich der Preisauftrieb bei Waren und Lebensmitteln. Hingegen herrscht bei den Dienstleistungen immer noch eine sehr kräftige Inflation. Von Handwerkerleistungen bis zur Gastronomie und den Versicherungen: Überall liegen die Preise weit über dem Vorjahresniveau. Die Hoffnung, dass die sinkende Inflationsrate jetzt den Konsum anfacht, dürfte daher trügen. Die Dienstleistungsinflation ist für viele Menschen sehr stark sichtbar und verunsichert weiterhin. Die neuen Zahlen signalisieren somit einen Zwischenerfolg, aber noch keinen Durchbruch in Richtung Preisstabilität.
Inflation schwer zu beurteilen
Die DZ Bank gehört zu den zahlreichen Häusern, die Inflation und Geldpolitik der Notenbanken in den Mittelpunkt ihrer positiven Börseneinschätzungen stellen. Ihr Motto: Preisanstieg nimmt Fuß vom Gas und erreicht vorübergehend EZB-Ziel. Glauben die Banker, Die Inflationsrate beträgt in Deutschland im August nur noch 1,9 Prozent – das sind 0,4 Prozentpunkte weniger als im Vormonat. Auch der für die EZB-Geldpolitik relevante Harmonisierte Verbraucherpreisindex geht von 2,6 auf 2,0 Prozent zurück. Damit erreicht die Inflation hierzulande zum ersten Mal seit März 2021 die Zielmarke der Notenbank. Eine Entwarnung bedeuten diese Zahlen aber noch nicht, glauben die Banker, da vor allem kurzfristig niedrigere Energiepreise zu der schwächeren Inflationsentwicklung beigetragen haben. Die derzeit den Ölpreis belastenden US-Rezessionssorgen halten viele Experten für überzogen, so dass die Energiepreise perspektivisch wieder steigen dürften. Der Preisauftrieb bei den Dienstleistungen blieb im August zudem hartnäckig hoch.
Die Stimmung an der Börse Frankfurt
Verhalten Sie sich typisch, geschätzte Investoren? Das Anlegerverhalten im deutschen Handel bleibt differenziert, wie aus dem Bericht des mit der Sentiment-Analyse befassten Experten Joachim Goldberg hervorgeht. Mit der jüngsten wöchentlichen Befragung (jeweils am Mittwoch) hat sich die Stimmungskluft zwischen Privatanlegern und institutionellen Investoren etwas verringert. Während der Dax im Laufe der vergangenen drei Wochen mit rund 7,3 Prozent (in der Punktbetrachtung) deutlich zulegen konnte, hat sich die Stimmung der den institutionellen Investoren, gemessen am Börse Frankfurt Sentiment-Index, um 25 Punkte verschlechtert. Gleichzeitig erhöhte sich zuletzt die Gruppe der neutral gestimmten Investoren fast wieder auf den Stand von vor zwei Wochen. Ob es sich um neue bärische Engagements oder wie zuletzt um Gewinnmitnahmen von früheren Optimisten handelt – der Dax hat von diesen Abgaben auf jeden Fall keine Blessuren davongetragen. Im Gegenteil: Langfristige Nachfrage, möglicherweise auch aus dem Ausland, dürfte damit in erster Linie für die Rally unseres Leitindex verantwortlich sein.
Aussichten für den Dax nicht schlecht
Goldberg kommt zu folgendem Fazit: Am Ende sprechen wir beim Dax zwar nicht von großem Pessimismus, aber es ist die Tendenz der Wochen, die vor allem den Pessimisten (40 Prozent aller Befragten) zunehmend Sorgen bereiten dürfte. Für sie, aber auch für die Bullen, die dem Dax nun den Rücken gekehrt haben, würde bereits eine Korrektur bis vermutlich auf 18.330/380 eine große Erleichterung bedeuten, weswegen wir dort erste größere Nachfrage erwarten. Auf der anderen Seite hat sich durch die jüngsten Abgaben beim Dax die Oberseite weiter geöffnet, wobei jenseits des Allzeithochs, also oberhalb von 18.900 Punkten, womöglich auch noch eine kleine Short-Squeeze droht, verursacht durch Pessimisten, die dann wohl die Notbremse ziehen müssten. Unter dem Strich haben sich die Aussichten für den Leitindex also nicht verschlechtert.
So ähnlichl liest sich auch die jüngste Analyse von Allianz Global Investors: Aus Sicht der Unternehmen scheint im Moment wenig Grund zur Sorge vor einem unmittelbar bevorstehenden Konjunkturabschwung zu bestehen. Nach der bislang überraschend erfolgreichen Inflationsbekämpfung der Zentralbanken scheint sich wieder mehr Spielraum für schnelles Eingreifen in Form von Zinssenkungen zu ergeben. Das Sicherheitsnetz für Konjunkturrisiken scheint wieder enger gewebt. Nicht die schlechtesten Aussichten.