KUTZERS CORNER

Wie Politik die Märkte bewegt – oder nicht

 08.09.24

Wichtige politische Entwicklungen beeinflussen auch die Finanzmärkte. Doch steht Politik für die Börsen immer in Konkurrenz zu anderen Einflüssen. Das erschwert die den Ausblick.

Die zurückliegenden Wochen waren geradezu beispielhaft für die Zweifel an der Qualität kurzfristiger Informationen. Wer Trends erkennen und danach handeln will, sollte sich also auch nicht am ganz kurzfristigen Geschehen orientieren. Geradezu abschreckend kann ein Blick auf den Kursverlauf eines Tages wirken: Die oft wilden Zuckungen des Dax sind nicht aussagekräftig und sollten Ihnen, geschätzte Privatanleger, nicht als Grundlage für Ihre Kaufen/Halten/Verkaufen-Taktik dienen.

Hohe Volatilität im August

Gerade der August machte deutlich, wie schwer es auch den Profis fällt, die hohen Kursschwankungen zuverlässig zu interpretieren – vor allem, wenn diese durch gravierende nationale Entwicklungen (z.B. Wahlen) und geopolitische Konflikte überschattet werden. Konkret klingt der Rückblick bei namhaften Analysten u.a. wie folgt: Gemütlich war er nicht, der August, aber am Ende war dann doch wieder alles im grünen Bereich. Was sich zu Beginn des Vormonats unter dem Signum des „Börsenbebens" abzeichnete, getriggert von Wachstumssorgen mit Blick auf die USA, aber auch von Spekulanten, die von einem aufwertenden Yen und gleichzeitig steigenden (Leit-)Zinsen auf dem falschen Fuß erwischt wurden, war Tage später schon wieder ausgeglichen. Der Nikkei 225, als Leitzindex für Japan, brauchte etwas länger, bis er den roten Bereich abschütteln konnte (er war ja auch am tiefsten gefallen), aber auch er konnte sich aus dem Sog nach unten befreien. Zum September hin herrschte fast schon wieder eitler Sonnenschein.

Was bringen die US-Wahlen?

Auch einige der anderen großen Indizes nahmen zuletzt wieder Anlauf auf ihre Allzeithochs, oder hatten dieses bereits überschritten, wie der S&P 500 für den US-Markt. Während das letzte Drittel des Jahres anläuft, schauen die Märkte über den anstehenden Zinsentscheid der Federal Reserve (Fed) hinweg schon beinahe auf das neue Jahr, welches nicht zuletzt auch vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA (5. November) geprägt werden dürfte.

Mit der Nominierung von Kamala Harris durch die Demokraten ist zwar ein neuer Schwung in den Wahlkampf gekommen, der auch zu veränderten Meinungsumfragen führte. Aber wer am Ende Präsidentin oder Präsident wird, ist damit nicht sicher, auch nicht, über welche Mehrheiten der/die neue „POTUS“ („Präsident of the United States“) in den beiden Häusern des Kongresses verfügen wird, denn auch dort wird ein Anteil der Mitglieder neugewählt. Für Unsicherheiten ist also gesorgt.

Gibt es einen „September Rain“?

Unsicherheiten, so formulieren es routinierte Anlagestrategen, können zu einem Kalendereffekt führen, also etwas, was es nach der Lehre rationaler Erwartungen und effizienter Kapitalmärkte gar nicht geben darf. Tatsächlich aber wies der September, gemessen z.B. am MSCI-Welt oder auch am Dax, im Durchschnitt der letzten Jahrzehnte eine negative Rendite aus. Ist eine verregnete Performance im September angesagt – „September Rain“ also?

Vor schematischem Denken wird gewarnt. Zwar weisen Median- und Mittelwert über die letzten Jahrzehnte für den MSCI-Welt und den Dax eine negative Performance aus, aber die Varianz darum ist ebenfalls sehr groß. Kein Grund also die fundamentale Entwicklung außer Acht zu lassen: Hier setzen viele Experten weiter auf ein Szenario der „sanften Landung“ der Volkswirtschaften. Zusammen mit dem entspannten inflationären Umfeld spricht nichts dagegen, dass die großen Zentralbanken ihre Politik der Zinslockerung einsteuern.

Apropos „Regen“: Es gibt ihn auch, den warmen „November Rain“. Die letzten beiden Monate waren in der Vergangenheit gute Monate an den Aktienmärkten. In diesem Jahr könnte der Novembereffekt mit den Wahlen in den USA in dem Sinn zusammenfallen, als die Nachwahlphase performanceseitig oft die bessere ist, da Unsicherheiten, die sich im Vorfeld des Urnengangs ergeben, dann wieder ausgepreist werden.

Deutsche Krise keine Überraschung

Und hierzulande Krisen überall – der Berliner Ampel droht das Licht auszugehen, das Wahlergebnis in Sachsen und Thüringen demonstriert die Unzufriedenheit vieler Bürger mit der aktuellen Politik. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wird eine rechtsradikale Partei stärkste Kraft auf Landesebene. Ohne die AfD kann die CDU in Thüringen nur mit Linken und dem BSW regieren. Es droht ein weiterer Rückgang der Wirtschaftskraft und des Wachstumspotentials. Vielen Fachleuten in allen Lagern gilt der Standort Deutschland als gefährdet, was internationale Kreise schon bestätigen. Ebenso das Gewicht der Demokratie.

Dem steht gegenüber, dass international hohe Liquidität die Aktien- und Kreditmärkte weiter stützt. Außerdem ist aus Börsensicht die deutsche Krise keine Überraschung – man hatte sich darauf eingestellt. Schon deshalb ist an den Finanzmärkten im Moment noch keine Trendwende sichtbar, trotz hoher Volatilität. Gelassenheit mag Ihnen momentan schwerfallen, liebe Leser. Als betont langfristige Anleger mit Schwerpunkten auf Sachwerten (Aktien, Gold, Industrierohstoffe) sollten Sie aber nicht in Panik verfallen.