Was Börsianer jetzt vom
zweiten Halbjahr erwarten
13.06.25
Zeigen sich die Börsen in den verbleibenden Monaten 2025 so widerstandsfähig wie im ersten Halbjahr? Namhafte Analysten geben sich überwiegend zuversichtlich.
Die geopolitische und wirtschaftspolitische Unsicherheit bleibt groß und unberechenbar. Das Sommerloch hat in Zeiten von Donald Trump keine Chance, resümieren die Analysten vom Frankfurter Helaba Research. Kaum wurde das „big beautiful bill“ im Kongress verabschiedet, widmet sich der US-Präsident wieder seinem Lieblingsthema. Zölle! Wie das handelspolitische Thema enden wird, ist aber offen.
Dass internationale Börsenstrategen auch in der vergangenen Woche so gelassen geblieben sind, hat mich einigermaßen erstaunt. Zwei typische Stimmen seien im Folgenden zitiert.
Einigung in der Zollpolitik möglich
Mit mehr Klarheit an den Märkten – damit rechnet Jim Caron, Chief Investment Officer von Morgan Stanley Investment Management in der zweiten Jahreshälfte 2025. „Die Marktteilnehmer werden ein besseres Verständnis der Steuer- und Haushaltspolitik haben und erkennen, dass Einigungen in der Zollpolitik möglich sind.“
Sein Ausblick auf das zweite Halbjahr: Die US-Arbeitsmarktdaten überraschten vergangene Woche positiv. Die Arbeitslosenquote fiel von 4,2 auf 4,1 Prozent, während im Vorfeld ein Anstieg auf 4,3 Prozent erwartet worden war. Viele Marktteilnehmer waren der Meinung, dass schwache Daten die US-Notenbank Fed dazu veranlasst hätten, die Zinsen bereits auf ihrer Juli-Sitzung zu senken.
Am Freitag (4. Juli) unterzeichnete Donald Trump das Gesetz ‚One Big Beautiful Bill Act‘, das viele wirtschafts- und investitionsfreundliche Elemente enthält. Der vielleicht wichtigste Punkt ist die Deregulierung. Aus Carons Sicht wird sie bislang als Ausgleich zu den Kosten der Zölle unterschätzt und dürfte sich positiv auf den operativen Leverage und die Bewertungen auswirken. Dennoch gibt es immer noch Risiken für die Zukunft: schwächeres Wirtschaftswachstum, steigende Arbeitslosigkeit und eine höhere Inflation. Alle diese Faktoren sind in den Prognosen der Fed enthalten.
Auswirkungen schwacher Daten nicht überschätzen
Aber werden sich die schwachen Daten auf die Vermögenspreise auswirken? Das ist die Frage. Der Investmentexperte glaubt nicht, dass sie von großer Bedeutung sein werden. Denn es handelt sich um eine erwartete Schwächephase, die von den Marktteilnehmern weitestgehend ausgeblendet wird. Die Fed mag abwarten, aber die
Märkte schauen nach vorn. Am wichtigsten wird sein, wie sich der US-Haushalt, Steuern und Konjunkturprogramme sowie die unternehmensfreundliche Deregulierung im Jahr 2026 auf die Märkte auswirken. Ja, man spricht bereits über das Jahr 2026. Der ultimative Test für den Haushalt ist, ob er dafür sorgen kann, dass die Wirtschaft nominal schneller wächst als die Staatsverschuldung – und so zur Verringerung des Defizits beiträgt.
Aufwärtstrend 2026 wird schon bald vorweggenommen
Dies könnte die Vermögenswerte in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 stützen. Die Anleger könnten bereits später in diesem Jahr – zum Beispiel im vierten Quartal 2025 – damit beginnen, den Aufwärtstrend im Jahr 2026 einzupreisen. Es geht letztlich darum, die erwartete Schwächephase zu überwinden.
Caron nennt fünf Punkte, auf die sich die Märkte derzeit stützen. Der erste Aspekt ist künstliche Intelligenz (KI) und ein von der Technologiebranche ausgehender Optimismus. Der zweite Faktor ist die starke Gewinndynamik. Die Unternehmensgewinne sind überraschend positiv ausgefallen. Selbst wenn sich makroökonomische Risiken abzeichnen, haben die Unternehmen ihre Margen solide gehalten und die Prognosen nach oben korrigiert. Das gibt den Anlegern Gewissheit, dass die Fundamentaldaten intakt sind. Der dritte Punkt betrifft die Fed und die Zinssenkungserwartungen. Die Marktteilnehmer rechnen mit Zinssenkungen der Fed im Laufe dieses Jahres, was die Aktienbewertungen stützt. Niedrigere Zinsen verringern die Abzinsungssätze für künftige Cashflows. Das lässt Aktien, insbesondere Wachstumswerte, attraktiver erscheinen. Viertens scheinen die fiskalischen Risiken – zumindest im Moment – den Markt kalt zu lassen. Anleger neigen dazu, langfristige Herausforderungen wie das US-Haushaltsdefizit zu vernachlässigen, wenn sie keine unmittelbaren Folgen sehen. Solange es an den Märkten für Staatsanleihen keine Verwerfungen gibt und die Fed als Rückhalt gesehen wird, werden Aktien wahrscheinlich widerstandsfähig bleiben.
Globales Kapital fließt weiter nach USA
Der fünfte Punkt betrifft die globale Liquidität und die Nachfrage nach US-Investments. Das globale Kapital fließt weiterhin in US-Aktien. Vielleicht nicht mehr so schnell wie in der Vergangenheit, aber immer noch. In jüngster Zeit haben sich die USA besser entwickelt als Europa und China. Das treibt die Nachfrage nach der relativen Sicherheit und der Performance von US-Aktien an – trotz der Haushalts- und Zollunsicherheiten.
Die Quintessenz ist also, dass die Marktteilnehmer nach vorne blicken und auf die andere Seite der erwarteten Schwächephase durchbrechen.
US-Börsen nach Schwäche schnell erholt
Das UBS Asset Management weist in einer jüngsten Analyse zunächst daraufhin, dass es die erste Jahreshälfte 2025 in sich hatte. Nach einem Rückgang von fast 20 Prozent erholte sich der US-Aktienindex S&P 500 so schnell wie noch nie von einem Rückgang
von mehr als 15 Prozent und schloss kurz vor Ende Juni auf neuen Höchstständen, sagt Evan Brown, Head of Multi-Asset Strategy. Sicherlich nicht die einzige, aber die Hauptquelle der Volatilität an den Finanzmärkten war Donald Trumps Zollpolitik.
Jetzt beginnen sich die gestiegenen US-Zölle auf die realen Wirtschaftsdaten auszuwirken. „Ist es für Aktien- und Credit-Investments sinnvoll, die erwartete bessere Entwicklung im Jahr 2026 bereits jetzt vorwegzunehmen und die bevorstehende Verschlechterung der Inflations- und Wachstumsdaten in den kommenden Quartalen auszublenden?“, fragt sich Brown. Seine Antwort lautet: Ja. Es gibt genügend Präzedenzfälle dafür, dass die Märkte trotz sich verschlechternder wirtschaftlicher Zahlen weiterlaufen. Die Risikobereitschaft der Investoren steigt meist, noch bevor die Daten sich verbessern.
Wirtschaft im kommenden Jahr wird angekurbelt
Neben möglichen Zinssenkungen durch die US-Notenbank in der zweiten Jahreshälfte 2025 dürfte Trumps Gesetzespaket „Big Beautiful Bill“ die Wirtschaft im kommenden Jahr ankurbeln. „Die Märkte können dies zusammen mit den zunehmenden Deregulierungsmaßnahmen der Regierung vorwegnehmen“, sagt Brown. Ein weiterer Markttreiber ist die künstliche Intelligenz, die nach und nach in die Abläufe zahlreicher Unternehmen integriert wird, ihre Effizienz erhöht und die Unternehmensgewinne potenziell steigert. „Daher ist es ratsam, über kurzfristige Herausforderungen hinwegzusehen, da wir möglicherweise an der Schwelle zu erheblichen strukturellen Gewinnsteigerungen stehen“, so Brown.
Dieser optimistische Ausblick birgt auch Risiken. So könnte sich Trump aufgrund der Erholung an den Aktien- und Anleihemärkten zu neuen drastischen Zollerhöhungen ermutigt fühlen. „Wir erwarten Volatilität, aber wir sind nicht übermäßig besorgt, dass neue Zollschocks eine dauerhafte Abwärtsbewegung am Markt auslösen könnten“, meint Brown