Politische Unsicherheiten bremsen die Wirtschaft
27.07.2025
Die Welt wird renoviert. Deshalb stehen die Architekten häufiger denn je in der öffentlichen Kritik.
Politische Börsen haben doch längere Beine als immer wieder behauptet wird. Im Grunde genommen vergeht kaum eine Woche ohne politische Einflüsse auf das Geschehen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten. Im bisherigen Jahresverlauf treffen Krisen und Konflikte rund um den Globus wie selten mit ehrgeizigen Mächtigen und schwierigen Regierungskonstellationen zusammen. Ergebnis: Der Faktor Zeit spielt für die betroffene Bevölkerung eine größere Rolle als früher.
Achten Sie einmal darauf, geschätzte Anleger, wie sehr in der öffentlichen Diskussion von Wirtschaftsvertretern und Unternehmern auf eine beschleunigte Reformrealisierung gedrängt wird und man in den Medien tagtäglich die Ungeduld in der Bevölkerung beklagt. Die Zeit drängt, denn die Probleme (Politiker bevorzugen den Begriff „Herausforderung“) drohen überhandzunehmen. Ich befürchte schon seit längerem, dass die Politiker inzwischen überfordert sind.
Das sich die verbreitete Unsicherheit über die Zukunftsaussichten bisher nicht in den Kursen niedergeschlagen hat, ist den sinkenden Inflationsraten und Zinse zu verdanken – also den monetären Rahmenbedingungen.
Wirtschaftserholung noch nicht sicher
Die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD ist nicht einmal drei Monate im Amt und schon wird das Koalitionsklima laut neuem ZDF-Politikbarometer als belastet wahrgenommen: Für eine Mehrheit von 55 Prozent der Befragten, darunter auch 36 Prozent der CDU/CSU- und 44 Prozent der SPD-Anhänger/innen, ist das Verhältnis zwischen den Regierungsparteien zurzeit eher schlecht, für 35 Prozent ist es eher gut (Rest zu 100 Prozent hier und im Folgenden jeweils "weiß nicht"). Dennoch glauben 60 Prozent der Befragten, dass die Regierung bis zur nächsten Bundestagswahl im Frühjahr 2029 bestehen bleiben wird. 34 Prozent rechnen mit einem vorzeitigen Aus der schwarz-roten Koalition.
Ifo-Geschäftsklimaindex nur leicht gestiegen
Die Stimmung unter den Unternehmen in Deutschland hat sich etwas verbessert. Der stark beachtete Ifo- Geschäftsklimaindex stieg im Juli auf 88,6 Punkte, nach 88,4 Punkten im Juni. Die Unternehmen zeigten sich etwas zufriedener mit den laufenden Geschäften. Ihre Erwartungen blieben hingegen nahezu unverändert. Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft bleibt blutleer. Im Verarbeitenden Gewerbe ist der Index gestiegen. Die Firmen bewerteten ihre aktuelle Lage als merklich besser. Auch ihre Erwartungen hellten sich weiter auf. Der Auftragsentwicklung fehlt es aber weiterhin an Schwung. Die Kapazitätsauslastung stieg nur geringfügig, von 77,0 auf 77,2 Prozent. Im Dienstleistungssektor hat sich das Klima verschlechtert. Der aktuelle Geschäftsverlauf wurde weniger gut beurteilt. Auch die Erwartungen wurden etwas nach unten korrigiert. Einen Dämpfer mussten die IT-Dienstleister verkraften. Der Bereich Transport und Logistik entwickelte sich hingegen positiv. Dort legte das Geschäftsklima merklich zu. Im Handel hat das Geschäftsklima etwas nachgegeben. Dies lag an pessimistischeren Erwartungen. Die aktuelle Lage verbesserte sich zwar leicht, blieb aber unbefriedigend.
Ifo-Präsident Fuest zieht durchwachsene Zwischenbilanz
Die neue Bundesregierung hat nach Ansicht von Ifo-Präsident Clemens Fuest wichtige Weichen für die Sicherheitspolitik gestellt, in anderen Feldern aber noch Nachbesserungsbedarf. „Die Schwarz-Rote Koalition hat durch die Reform der Schuldenbremse Spielraum für hohe kreditfinanzierte Rüstungsausgaben geschaffen“, sagt Fuest. Dieses Geld so auszugeben, dass Deutschland den notwendigen Beitrag zur Sicherung des Friedens leisten kann, sei allerdings keine leichte Aufgabe.
Positiv hebt Fuest auch den Vorstoß hervor, Unternehmen beim Lieferkettengesetz von Bürokratie zu befreien. Allerdings seien zusätzliche Maßnahmen auf europäischer Ebene erforderlich, um beispielsweise auch überflüssige Berichtspflichten zu Nachhaltigkeit abzubauen. Die Initiative zur Förderung von Innovationen und Unternehmensgründungen sei ein Lichtblick. Maßnahmen wie die verbesserte Forschungsförderung und schnellere Gründungsverfahren wiesen in die richtige Richtung. Bei den Sonderschulden für Infrastruktur gelte es sicherzustellen, dass das Geld tatsächlich in zusätzliche öffentliche Investitionen fließt. „Leider hat die Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, die weder Ausgaben begrenzen noch Wachstumskräfte stärken“, sagt Fuest. Insgesamt zeigt die wirtschaftspolitische Bilanz der neuen Bundesregierung Licht und Schatten. Allerdings sei sie erst gut zwei Monate im Amt und könne die kommenden Monate nutzen, um ihren Kurs zu korrigieren.
Bankenstimmen: Unsicherheit bleibt erhöht
Und was sagen Banker? Typisch die DZ Bank: Das wichtigste Wirtschaftsbarometer in Deutschland steigt im Juli nur in Minischritten. Überraschend ist, dass vor allem die aktuelle Geschäftslage für die zarte Verbesserung sorgt. Die Unsicherheit unter Deutschlands Firmen bleibt also erhöht. Das von der Politik verabschiedete Sondervermögen für die Infrastruktur und die höheren Verteidigungsausgaben dürften zwar für einen Konjunkturimpuls sorgen, dieser kommt aber wohl erst im nächsten Jahr richtig zur Geltung. Die Unklarheit, wie die Zollverhandlungen zwischen der EU und den USA ausgehen, ist weiterhin das beherrschende Thema. Hier gilt die alte Weisheit: Wirtschaft ist Psychologie und ein stabiler Rahmen für das Geschäft essenziell. Erst wenn sich hier der Nebel lichtet, dürfte das Geschäftsklima klarere Konjunktursignale geben.
Zu guter Letzt
Der Druck auf die politischen Entscheider wird eher noch zunehmen. Und die Börsen werden nach meiner Einschätzung weiter von niedrigen Zinsen und hoher Liquidität profitieren – insbesondere Aktien und Rohstoffe. Privatanleger sollten sich jedoch kurz- bis mittelfristig nicht eine reibungslose Fortsetzung des bisherigen Jahresverlaufs mit wiederholten Indexrekorden erhoffen. Der Aktienmarkt hat in den Kursen schon einiges vorweggenommen. Und die Welt bleibt voller politischer (unberechenbarer!) Risiken.