30.06.16
Auf dem Frankfurter
Parkett, wo im Zeitalter elektronischen Handels ohnedies nichts mehr
los ist, sorgten nur die Medien mit ihren Kameras und Mikros für
Bewegung. Und die Restprofis hinter den Maklerschranken strahlten
müde Gelassenheit aus. Diese Beobachtungen vom Mittwoch, als ich an
einer n-tv-Diskussionsrunde teilnahm, bestätigten die These von der
Gewöhnung an das Ungewöhnliche. Alle sprachen über den Brexit –
und alle zuckten mit den Achseln. Wir müssen akzeptieren, dass uns
das Generalthema „Zukunft Europas“ noch lange beschäftigen wird.
Deshalb sollten Sie, geschätzte Anleger, die erstaunliche
Stabilisierung der Aktienkurse in der ersten Wochenhälfte nicht
überschätzen!
Auch eine Woche nach
dem britischen Referendum ist festzuhalten, dass nichts feststeht –
selbst hinter den Brexit kann man noch ein Fragezeichen setzen. Ich
bekräftige deshalb mein Zitat des alten Toyota-Werbeslogans „Nichts
ist unmöglich“. Besondere Vorsicht ist gegenüber den Aktien des
Finanzsektors angesagt, denn Analysten vermuten, dass Brexit die
Bankenkrise in Europa verschärfen kann. Andererseits wird ein Trend
so oder so bekräftigt werden – der Immobilienboom im
Rhein-Main-Gebiet, auch wenn die Fusion der Börsen London und
Frankfurt jetzt scheitern sollte. Dazu passt folgendes selbstbewusste
Bekenntnis: Der Finanzplatz Deutschland kann nach Ansicht unseres
Bankenverbandes von einem Austritt Großbritanniens aus der
Europäischen Union profitieren. In den Brexit-Verhandlungen müsse
Deutschland die „gewachsenen Chancen für den wichtigsten
kontinentaleuropäischen Finanzplatz Frankfurt erkennen und nutzen".
Der
Sentiment-Wochenbericht (per Mittwoch) von der Frankfurter Börse
bestätigt meinen Eindruck, heißt es darin doch zusammenfassend: „In
diesem Umfeld, das die Börsianer eigentlich verunsichern müsste,
geben sich die von uns befragten mittelfristig orientierten Akteure
jedoch erstaunlich gelassen.“ So zeigt die gestrige
Stimmungserhebung trotz eines 5-prozentigen Rückgangs des Dax seit
vergangenen Mittwoch nur einen leichten Rückgang des Börse
Frankfurt Sentiment-Index an, der um 5 Zähler auf einen Stand von
+20 sank. Daran lässt sich erkennen, dass sich die Akteure weder
von dem überraschenden Ausgang des Referendums noch von dem
vorübergehend mehr als 10-prozentigen Kursrückgang des Dax am
Morgen danach haben nachhaltig beeindrucken lassen.
Mit dieser Erhebung
zeigt sich, dass bei vielen Marktteilnehmern der Eindruck entstanden
ist, dass sie trotz des unerwarteten Ausgangs des Brexit-Votums
überwiegend nicht die Kontrolle über das Marktgeschehen verloren
haben. Im Gegenteil: Es herrscht eine weitverbreitete Zuversicht,
dass zwar die Brexit-Risiken nach wie vor vorhanden sind, aber die
Zentralbankpolitik diesem Umstand insofern Rechnung trägt, als sie
signalisiert, im Zweifel einzugreifen. Dieses Kontrollgefühl hat
dafür gesorgt, dass der Optimismus bei den institutionellen Anlegern
sich etwa auf der Höhe des Jahresmittels bewegt, also nicht als
übertrieben bezeichnet werden kann. Dies ist allenfalls für die
Privatanleger angezeigt. Besagtes Kontrollgefühl sorgt aber auch
dafür, dass selbst ein abermaliger Schwächeanfall des Dax toleriert
würde, solange das bisherige Jahrestief (8.700) nicht deutlich
unterschritten wird.
Champions-Aktien
vom Crash unbeeindruckt
Gelassenheit prägt
auch das spontane Urteil meines Kollegen Jochen Appeltauer,
Chefredakteur des „boerse.de-Aktienbrief“, zu den Börsenfolgen
des Brexit: So heftig diese Reaktion auch ausfiel, gilt es jedoch zu
bedenken, dass Angst und Gier an der Börse schon immer die
schlechtesten Ratgeber waren. Zugegeben, selbst für erfahrene
Anleger fällt es in solchen Situationen nicht leicht, einen kühlen
Kopf zu bewahren. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass die Märkte
bislang noch jeden Rücksetzer wieder aufgeholt haben und sämtliche
Panik-Situationen deswegen im Nachhinein betrachtet großartige
Einstiegschancen darstellten.
Unsere Champions aus
dem boerse.de-Aktienbrief haben sich in den vergangenen Tagen wieder
einmal deutlich besser als die breite Masse entwickelt. Während der
Dax seit vergangenem Donnerstag ein Minus von 7,9% aufweist, setzte
der alle 100 Champions umfassende boerse.de-Champions-Index lediglich
um 2,5% zurück. Und beim aus zehn ganz besonders defensiven
Champions konstruierten BCDI steht sogar ein leichtes Plus von 0,2%
zu Buche. Dazu kommt: Seit dem „Leave“-Votum der Briten sind vier
unserer 100 Aktienbrief-Champions auf neue historische Höchststände
geklettert.
Aktuell befinden
sich die Märkte nach Einschätzung von Appeltauer im Erholungsmodus
und fürs Erste haben beim Dax die wichtigsten Unterstützungen
gehalten. Ob der Brexit-Schock damit bereits ausgestanden ist, wird
sich allerdings noch zeigen müssen. Passend dazu signalisiert unser
Champions-Oszillator, dass Langfristanleger derzeit die Hälfte ihres
Kapitals in Form von Cash halten sollten.
Machen Sie also
weiter mit – und machen Sie’s gut!