_______________________________________________________________________
Mal andere Argumente, originelle Gedanken, nicht unbedingt Mainstream – das sind Kriterien, nach denen ich jetzt Analysen und Prognosen kompetenter Börsenexperten aussuche und an dieser Stelle veröffentliche.
Hermann Kutzer
_______________________________________________________________________
Was
treibt die Kurse in den USA wirklich an?
Von DIDIER LE MENESTREL, Chairman
von La Financière de l’Echiquier
Paris, 07. Dezember 2016 – Kaum sind
Konfetti und Luftschlangen der Trump-‐Anhänger
zu Boden gefallen, da geht der amerikanische Markt auch schon auf
Höhenflug. Die anfänglichen Zweifel sind rasch verschwunden und
der besorgniserregende Kandidat Donald Trump hat sich zu einem
„marktfreundlichen“ Präsidenten gemausert. Seitdem jagt der Dow
Jones einen Rekord nach dem anderen. Aber auch Standard & Poor’s,
Nasdaq oder der kleine Börsenkapitalisierungen umfassende Russel
2000 klettern auf neue Höchststände. Eine derart synchrone
Entwicklung kommt selten vor – zuletzt im Winter 1999, als die
Börsentemperaturen deutlich über den saisonalen Durchschnittswerten
lagen – gefolgt von einer unvergesslichen Schlappe!
Über dieses vorhergehende Mal kann man
sich Sorgen machen, zumal der Markt laut Shiller-KGV, dem bevorzugten
langfristig ausgerichteten Maß der Börsen – teuer ist. Für den
S&P liegt diese berühmte Kennzahl derzeit bei 27, gegenüber
einem historischen Durchschnitt von 17. Nur bei der Dotcom-Blase war
der Stand noch höher (immerhin 44 in der Spitze).
Während die Behauptung – „Dieses
Mal ist es anders“ – viele Male zuvor Vorbote für ein Desaster
an der Börse war, könnte es diesmal aber tatsächlich anders
kommen. Dafür sorgen könnten gewisse Maßnahmen, die Donald Trump
angekündigt hat, zumindest kurzfristig. Die massive Steuersenkung
für amerikanische Unternehmen, durch die sich ihre Ergebnisse um
mehr als 10 Prozent verbessern sollen, ist hierfür das
Paradebeispiel.
In den hohen Bewertungen des Marktes
spiegeln sich aber auch eher strukturelle Unterschiede wider, wie z.
B. die längere Lebensdauer von Aktienbesitzern oder die Nachfrage
nach amerikanischen Werten durch einer immer größere Zahl von
Anlegern (diese Titel stellen 55 Prozent des MSCI World dar). Sie
könnten aber auch ganz einfach auf das knappe Angebot zurückzuführen
sein: Die Zahl börsennotierter Werte geht in den USA seit 1996
stetig zurück – von 7.500 Ende der 1990-er Jahre auf 3.700 heute.
Der größte Index der USA, der Wilshire 5000, hat seinen Namen
eigentlich nicht mehr verdient: Er zählt heute nur noch 3.515 Werte.
Erste Ursache für diesen Schwund:
Immer mehr Unternehmen von erheblicher Größe finden Finanzierungen
und Aktionäre, ohne organisierte Märkte in Anspruch zu nehmen. UBER
mit seiner wahrscheinlichen Kapitalisierung von 30 Milliarden ist
hierfür ein herausragendes Beispiel. Der zweite Grund ist reine
Mathematik: Die Anzahl der Kuchenstücke wird kleiner. So ist der
Saldo aus an der Börse neu gelisteten Unternehmen minus der
übernommenen Unternehmen minus der Anzahl der Titel, die Gegenstand
von Aktienrückkäufen ihrer Muttergesellschaft sind, inzwischen
schon seit 2010 negativ: Amerikanische Aktien werden immer teurer,
weil es immer weniger hiervon gibt.
Während die große Zeit der Prognosen
beginnt, stellt sich also die Frage nach einer möglichen
Überbewertung der amerikanischen Börse. Die Kurse sind im Vergleich
zu historischen Vergleichszahlen hoch, werden kurzfristig aber durch
schlagkräftige politische Maßnahmen gestützt und profitieren von
der allgemeinen Knappheit. Die Börse legt immer weiter, aber
langsamer zu: Für seine letzten 100 Pluspunkte brauchte der S&P
643 Tage. Zweifellos muss man diesen Rhythmus im Auge behalten. Das
Ende von Bewegungen kündigt sich oft durch drastische
Beschleunigungen und Herdentrieb an. Wir sind zwar noch nicht an
diesem Punkt angelangt, aber 2017 könnte durchaus ein neues Jahr des
übermäßigen Vertrauens werden.
***
La
Financière de l’Echiquier wurde 1991 von Didier Le Menestrel und
Christian Gueugnier gegründet und zählt zu den marktführenden
unabhängigen Fondsgesellschaften in Frankreich. Das Unternehmen
beschäftigt insgesamt 100 Mitarbeiter und verwaltet ein Vermögen
von 7,5 Milliarden Euro. In Deutschland und Österreich vertreibt die
Gesellschaft aktuell sechs Aktienfonds, zwei Mischfonds und einen
Wandelanleihefonds.