Aktienprognosen für 2018 (2): Risikopotential in Europa – Die Argumente der Bären

25.11.17

Politik lahmt, Wirtschaft boomt. Ifo-Geschäftsklima setzt Rekordjagd fort. Headlines vom Freitag, die allen Aktienfans Mut machen können. In diesen und ähnlichen Nachrichten stecken auch die Gründe für die relative Gelassenheit der Börse und die mehrheitlich optimistischen Prognosen zu den Aktienmärkten im kommenden Jahr. Nur sollte das den Blick für die Risiken nicht verstellen. Deshalb habe ich heute auch einmal die skeptische (um nicht zu sagen „bärische) Vorhersage eines internationalen Großanlegers übernommen.



Es ist – auch wenn man weit zurückblickt – ganz ungewöhnlich, dass führende Vertreter der deutschen Wirtschaft in den höchsten Tönen jubeln (einzelne Konzerne ausgenommen). „Die Stimmung in den deutschen Chefetagen ist hervorragend“, wird der jüngste Bericht zum Ifo-Geschäftsklimaindex überschrieben, nachdem dieser allgemein stark beachtete Indikator im November auf einen neuen Rekordwert von 117,5 Punkten geklettert ist. Das wird auf „deutlich optimistischere“ Erwartungen der Unternehmen zurückgeführt. Die deutsche Wirtschaft steuert auf eine Hochkonjunktur zu.


Zuvor gab es eine ebenfalls sehr positive, aber differenzierte Gesamtbewertung der Stimmungslage am deutschen Aktienmarkt durch die Sentiment-Analysten an der Börse Frankfurt: Die innenpolitische Lage scheint die heimischen Börsianer nur mäßig zu interessieren. Denn die wirtschaftliche Situation in Deutschland gilt als robust genug, um die kommenden Tage und Wochen der Ungewissheit ohne Schaden zu überstehen. Diese Sichtweise wird allerdings außerhalb Kontinentaleuropas nicht unbedingt geteilt. So machen sich etwa US-amerikanische und britische Kommentatoren Sorgen um die Stabilität der Eurozone, falls (und wie) es in Deutschland ohne Angela Merkel weitergehen sollte – ganz zu schweigen vom Thema Katalonien und den „Scheidungsverhandlungen" zum Brexit.


Auffallend war bei der Umfrage zur Wochenmitte außerdem, dass die Privatanleger überzeugter denn je sind: Ihnen ist die bisherige Dax-Erholung offensichtlich nicht genug. In diesem Panel sind nämlich so gut wie keine Gewinnmitnahmen zu beobachten. Stattdessen hat man offensichtlich die zwischenzeitlich schwächeren Indexstände unter 13.000 Zählern für weitere bullische Engagements genutzt und bärische Absicherungen sogar aufgelöst.


Offenkundig setzen die heimischen Anleger mehr denn je in den letzten Jahren auf die sich häufenden ausgezeichneten Nachrichten aus der Wirtschaft. Das gilt nicht
nur für Deutschland, denn auch in Europa hat sich das Wirtschaftswachstum zuletzt beschleunigt, die Beschäftigung steigt, und Deutschland entwickelt sich zurzeit zum Wachstumsmotor. Unternehmen investieren wieder verstärkt, die Verbraucher sind in Kauflaune, sogar die Sorge vor einer Überhitzung macht sich breit. So die Ergebnisse einer Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY auf der Basis der Geschäfts- bzw. Quartalsberichte der im Dax gelisteten Unternehmen.


Ich möchte aber nicht die warnenden Prognosen (sind bisher eine klare Minderheit) unter den Tisch fallen lassen. Dazu Auszüge einer Vorschau der Londoner LGIM, die zu den größten Vermögensverwaltern Europas gehört. Ihr Tenor: Prognosen für europäische Aktien übersehen potentielle Stolpersteine, denn europäische Aktien bergen im Falle eines Abschwungs massive Verlustrisiken.


Aktuell sprechen viele gute Gründe für eine positive Prognose für die europäischen Aktienmärkte: Die Wirtschaft boomt, die Gewinne steigen, die politische Lage ist so stabil wie seit Jahren nicht und die europäischen Märkte hinken der weltweiten Entwicklung so lange hinterher, dass sicherlich der Zeitpunkt gekommen ist, den Rückstand aufzuholen. Umfragen deuten darauf hin, dass die meisten Investoren die Zukunft europäischer Aktien ebenfalls positiv sehen. Es gibt jedoch einige potenzielle Stolpersteine, die dieser positiven Entwicklung entgegenstehen könnten. So könne die politische Ruhephase enden. Als das größte Risiko gelten die Wahlen in Italien, die voraussichtlich im Frühjahr stattfinden werden.


Ein zweiter Punkt sind laut LGIM die Gewinnaussichten europäischer Unternehmen. Denn nach Jahren der Enttäuschung scheint eine gewisse Skepsis gerechtfertigt zu sein. Es bestehe das Risiko, dass der stärkere Euro mehr von einem möglichen Gewinnwachstum auffressen werde als erwartet. Als der potentiell größte Nachteil europäischer Aktien wird der in den Indizes kaum vertretene Technologiesektor genannt: Wenn sich die Aktien von Technologieunternehmen weiterhin so überdurchschnittlich entwickeln, wäre dies für europäische Aktien ein erheblicher Nachteil, gerade im Vergleich zu technologieintensiven Regionen wie den USA oder den Schwellenländern.

Fazit der Londoner Strategen: „Unserer Einschätzung nach könnten europäische Aktien sich beim nächsten Abschwung als ein sehr verlustreiches Investment herausstellen. Die Erfahrungen der letzten Krise haben gezeigt, dass der institutionelle Rahmen der Eurozone nicht darauf ausgelegt ist, schnell und angemessen auf eine Krise größeren Ausmaßes zu reagieren. Zudem könnte die nächste Krise erneute Bedenken hinsichtlich der Stabilität der europäischen Währungsunion wecken. Wir gehen zwar nicht davon aus, dass eine solche Situation unmittelbar bevorsteht, die Risiken einer Rezession sind jedoch bekanntermaßen schwer vorherzusagen.“


Was ich davon halte? Nachvollziehbar, ja, mir aber zu pessimistisch. Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!