Wirtschaft und Börse: Donald J. Trump – Chance oder Risiko?

08.11.17

Die allgemeine Beurteilung von wichtigen Personen und Entwicklungen ist oft nicht identisch mit deren Einflüssen auf die Börsen. So kann man beispielsweise einen politischen Führer verabscheuen, ohne dass sein Wirken den Kapitalmarkt bewegt. Ähnlich ist es, wenn sehr erfreuliche Nachrichten aus Politik und Wirtschaft nicht kursrelevant werden, etwa weil man sie erwartet hatte und das Gute von den Märkten schon vorweggenommen wurde. Eine Besonderheit verkörpert Donald J. Trump: Auch nach einem Jahr wissen wir noch nicht, ob der im Meinungsbild so uneinheitliche neue US-Präsident für Wirtschaft und Börse mehr Chancen als Risiken eröffnet – oder umgekehrt.




Dazu gibt es eine interessante Erhebung. Genau ein Jahr nach der Wahl von Trump sind internationale Wirtschaftsexperten der Auffassung, dass der US-Präsident die Weltwirtschaft negativ beeinflusst. Bei einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts gaben dies 73,9 Prozent an. Befragt wurden 929 Experten in 120 Ländern. 57,6 Prozent von ihnen sahen auch negative Auswirkungen auf die amerikanische Wirtschaft. Die negativsten Auswirkungen wurden bei sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz festgestellt. 73,5 Prozent der Experten in der Welt und 61,2 Prozent der Fachleute in den USA sind der Auffassung, dass die Armen am meisten verlieren bei den angekündigten und bereits umgesetzten politischen Maßnahmen. Die Regierung Trump bekommt aber auch schlechte Noten beim internationalen Handel, bei der Zusammenarbeit in multilateralen Organisationen sowie bei Frieden und Sicherheit.


Ob mit, ohne oder trotz Trump – Dow, Dax & Co. bekommen aktuell mehr fundamentalen Rückhalt aus der Wirtschaft, während die (geo)politischen Risiken erst einmal in den Hintergrund gerückt sind. Jüngstes Beispiel ist die Revision der Konjunkturschätzungen durch den Sachverständigenrat. Selbst Ökonomen staunen über den möglicherweise stabilsten Aufschwung seit dem Wirtschaftswunder. Die Zunahme an Arbeitsplätzen ist die stärkste seit den 1960er-Jahren. Wirtschaftsprognosen werden in diesem Jahr nur in eine Richtung korrigiert: nach oben. „Der aktuelle Wirtschaftsaufschwung hat die Chance, der längste Boom in Deutschland seit dem Wirtschaftswunder zu werden“, sagt Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institute (HRI).


Ein weltweites Branchenbeispiel steuern die Deutsche-Bank-Anlagestrategen bei: Die Weltwirtschaft läuft derzeit so rund, dass die globalen Lkw-Bauer in der bisherigen Berichtssaison die Erwartungen übertroffen haben. So wuchsen die Umsätze im Vergleich zum Vorjahresquartal im Schnitt um rund 22 Prozent – selbst Lateinamerika legte deutlich zu. Zugleich waren die Auftragseingänge durchschnittlich um circa 33 Prozent höher als im dritten Quartal 2016. Diese Bestellungen spiegeln nicht nur die guten Aussichten der Hersteller wider. Sie sind auch ein Indikator für die Zuversicht der Besteller aus verschiedenen Branchen weltweit, dass sich der globale Aufschwung 2018 fortsetzt.

Besonders bemerkenswert ist die positive Einschätzung der Schwellenländer durch internationale Anlagestrategen. Nach sechs Jahren Wachstumsschwäche nehmen die Emerging Markets in 2017 wieder an Fahrt auf. „Die Wachstumsbeschleunigung liegt dabei nicht nur an Russland und Brasilien, der Auftrieb umfasst rund 70 Prozent des Emerging Market Universums“, sag Erik Lueth, Global Emerging Market Economist bei Legal & General Investment Management. Der Experte ist davon überzeugt, dass Anlagen in Emerging Markets kurz- und mittelfristig interessante Investmentziele darstellen: „Die stabileren Wachstumsaussichten sollten die Vermögenswerte der Schwellenländer stützen.“


Der kurzfristige Ausblick für die Schwellenländer sei eng an Chinas Wachstumsaussichten gebunden – und die ständen für die nächsten zwei Jahre trotz des leichten Rückgangs gut. „Wir glauben, dass das Wachstum in China sich nur schrittweise von aktuell 7 auf 6,5 Prozent in 2018 und auf 6 Prozent in 2019 abschwächen wird“, erklärt Lueth. Chinas Schulden blieben zwar weiterhin ein Risikofaktor, doch die staatseigenen Banken und ausreichend finanzpolitischer Spielraum böten genügend Absicherung gegen eine Finanzkrise und eine rasante Verlangsamung des Wachstums.

Diese und ähnliche Betrachtungen dominieren zwar das aktuelle Meinungsspektrum, doch verstummen die Skeptiker und Warner nicht. Das von mir geschätzte Helaba-Research hebt nicht erst jetzt den Zeigefinger: „Unser Bewertungsindikator für den Dax auf Basis der gängigsten Kennziffern (KGV, KBV, KCV und Dividendenrendite) bewegt sich deutlich oberhalb des langfristigen Normalbandes.“ Während das Kurs-Gewinn-Verhältnis und das Kurs-Buchwert-Verhältnis zwar hoch, aber noch längst nicht auf historischen Spitzenniveaus angelangt sind, hat das Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV) für den deutschen Aktienmarkt mit einem Wert von 8,4 den Spitzenwert aus dem Jahr 2000 schon erreicht.


Ein Blick in die Historie zeigt laut Helaba: Ab einem KCV von 7 wird es kritisch. In den Jahren 1986, 1998 und 2008 wurde bei diesem Bewertungsniveau jeweils der Kursgipfel ausgebildet. In den Jahren 2000 und 2015 war erst bei einem KCV von 8,3 bzw. 7,8 Schluss. Es folgten jeweils heftige Korrekturen. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass der Dax zwischenzeitlich sogar noch über die Marke von 14.000 Punkten springt. Schließlich zählen November und Dezember zu den saisonal starken Monaten, zumal, wenn Aktien bis dahin schon gut gelaufen sind.


Zwei taktische Empfehlungen sind angesagt, ohne strategisch das Lager der Bullen zu verlassen: Unter kurzfristigen Chance-Risiko-Aspekten können es vorsichtige Anleger wie Altmeister Kostolany halten: „Einer Straßenbahn und einer Aktie darf man nie nachlaufen. Nur Geduld: Die nächste kommt mit Sicherheit.“ Ich bleibe überdies dabei, einen Teil der Kursgewinne – nur einen Teil – zu realisieren und den Cash-Anteil dadurch zu erhöhen.


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut