Handelskonflikt und Börse: Schwellenländer-Aktien bleiben langfristig attraktiv

08.08.18

Kurse erst deutlich rauf, dann runter – verlieren die lange favorisierten Aktien großer Schwellenländer wegen des Zollkonflikts das Interesse der Anleger? Tatsächlich äußern manche institutionelle Investoren entsprechende Sorgen. Auf lange Sicht hat sich aber an den positiven Vorzeichen für die wirtschaftlichen und Börsenaussichten insbesondere Asiens nichts geändert. Auch die Analysten von Goldman Sachs Asset Management (GSAM) geben sich gelassen und glauben, dass Schwellenländer-Aktien den Handelskonflikten standhalten können.




Immerhin hat der Zollstreit bereits zu Abflüssen von rund 20 Milliarden Dollar aus Schwellenländer-Aktien geführt, so dass diese Anlageklasse in US-Dollar gemessen um beinahe 15 Prozent gegenüber ihrem Höchststand vom Januar abgerutscht ist. Es lässt sich kaum vorhersagen, in welche Richtung genau sich der Handelsstreit weiterentwickeln wird. Als langfristig ausgerichtete Anleger ist entscheidend, sich mehr auf die fundamentale Lage zu konzentrieren. Und in dieser Hinsicht präsentieren sich die Volkswirtschaften der Schwellenländer weiterhin solide.


Zum einen haben sich die Fundamentaldaten der Schwellenländer in den vergangenen Jahren insgesamt deutlich verbessert. Zum anderen handelt es sich bei den Schwellenmärkten um ein vielfältiges Anlageuniversum: Auch wenn sich die Zahlen in den Schlagzeilen oftmals dramatisch anhören, agieren viele der Länder weitgehend unberührt von den aktuellen Handelsspannungen. Sogar im Fall von China entsprechen die angekündigten Zölle lediglich 2 Prozent der chinesischen Exporte und 0,4 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts. Oder anders ausgedrückt: Die Zollabgabe von 25 Prozent entspricht 0,1 Prozent des chinesischen BIPs. Dazu GSAM: „Außerdem ist China gut aufgestellt, um an den fiskal- und geldpolitischen Stellschrauben zu drehen und die wirtschaftlichen Folgen anhaltender Handelskonflikte einzudämmen, falls sich die Lage weiter verschärfen sollte.“ Genau dieser Aspekt wird nach meinen Beobachtungen im Westen oft unterschätzt.


Darüber hinaus sind die Aktienmärkte der Schwellenländer zunehmend binnenorientiert. Schwellenländer-Unternehmen erwirtschaften nur 8 Prozent ihrer direkten Umsätze in den USA, bei chinesischen Unternehmen beträgt dieser Anteil lediglich 2 Prozent. Natürlich hätten weitere Einschränkungen des freien Handels Folgewirkungen, doch bisher bleibt die Gewinnentwicklung der Schwellenländerunternehmen solide. Nachdem die Gewinne in den vergangenen zehn Jahren größtenteils verhalten ausfielen, besserte sich das Bild zuletzt: 2017 stiegen die Gewinne um mehr als 20 Prozent und für dieses Jahr wird trotz der aktuellen Unsicherheit eine erneute Steigerung um über 10 Prozent erwartet. Besonders erfreulich ist, dass erstmals seit 2011 auch die Eigenkapitalrenditen die Schwellenländer-Erträge mitziehen, da sich die Margen und die Rentabilität der Unternehmen verbessern.


Ein ausgewachsener Handelskrieg würde die Exporterlöse und das Wachstum beeinträchtigen, die weltweiten Lieferketten unterbrechen und letztlich auch die Risikobereitschaft der Anleger reduzieren. Derzeit zeigen sich die Schwellenländer aber nach wie vor widerstandsfähig und die fundamentalen Aussichten für ihre Aktien bleiben positiv. Die Goldman-Strategen sind bemerkenswert zuversichtlich: „Wir rechnen für die kommenden Jahre weiterhin damit, dass sich der Wachstumsvorsprung der Schwellenländer gegenüber den Industriestaaten verbessert. Diese Entwicklung korrelierte in der Vergangenheit mit einer Outperformance von Schwellenländeraktien.“


Langfristige Prognosen gehen davon aus, dass der Anteil der Schwellenländer am globalen Wachstum in den nächsten zehn Jahren auf beinahe 75 Prozent steigen wird und dabei 1,2 Milliarden Menschen von armen Bevölkerungsschichten in die Mittelklasse aufsteigen werden. Es herrscht Zuversicht, dass binnenorientierte Unternehmen, die über differenzierte Strategien verfügen, auf lange Sicht gut aufgestellt sind. Nach dem jüngsten Ausverkauf liegen die Bewertungen von Schwellenländer-Aktien wieder unter ihren langfristigen Durchschnittsniveaus und die Titel werden mit einem Abschlag von 25 Prozent gegenüber ihren Industrieländerpendants gehandelt. Als Asien-Fan teile ich die langfristige Zuversicht von GSAM: „Das bietet einen interessanten Einstiegspunkt in eine mehrjährige Erholungsphase.“


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!