Börsenstimmung: Sind viele Marktteilnehmer zu optimistisch?

30.11.18

Es bleibt dabei: Die Mehrheit der heimischen und internationalen Analysten ist trotz aller Vorbehalte vorsichtig optimistisch für die Aktienmärkte im kommenden Jahr gestimmt. Mein Eindruck der vergangenen Wochen ist also durch zahlreiche weitere Vorschauen bestätigt worden. Dabei zählt eine klare Mehrheit der Prognosen europäische Aktien zu den Favoriten 2019.



Das heißt freilich nicht, dass die skeptischen Stimmen, dass die Warner unter den Banken und Investmentmanagern verstummen würden. Die berufen sich in erster Linie auf die geo- und wirtschaftspolitischen Spannungen, die durch die wiederaufflammende Krise zwischen Russland und der Ukraine frische Nahrung erhalten haben. Auch an der Frankfurter Börse zweifeln selbst alte Hasen an der Nachhaltigkeit der relativ guten Stimmung. „Also, ich frag mich wirklich, warum so viele Marktteilnehmer optimistisch sind.“ So beginnt Verhaltensökonom Joachim Goldberg seine Video-Wochenanalyse. Dass die Risiken an den Finanzmärkten seit der vorangegangenen Woche nicht geringer geworden sind, ist längst deutlich geworden.

All diese Sorgen scheinen die von Goldberg & Goldberg wöchentlich befragten institutionellen Marktteilnehmer mit mittelfristigem Handelshorizont derzeit nicht zu teilen. Denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index ist quasi durch die Decke geschossen und hat sich um 26 Punkte auf einen Stand von +50 Punkte befestigt – so hoch wie zuletzt am 29. November 2006! Dabei speist sich der Zuwachs bei den Optimisten zu mehr als 80 Prozent aus ehemaligen Pessimisten, die im besten Fall möglicherweise den Rücksetzer unter die Marke von 11.100 Dax-Zählern in der Zwischenzeit dazu genutzt haben, ihre bärische Einstellung deutlich zu korrigieren. Gut möglich, so vermuten die Stimmungsbeobachter am Main, dass hierbei ein kurzer Blick auf den bisherigen Verlauf des Dax während der vergangenen Wochen entscheidend war. Denn daraus wird zumindest ersichtlich, dass sich das Börsenbarometer bislang nicht unter die 11.000er Marke hat drücken lassen. Und mit zwei Kurstälern auf fast gleichem Niveau – es handelt sich um die lokalen Tiefpunkte vom Oktober und November – könnte man tatsächlich den Eindruck gewinnen, der Dax habe womöglich die tiefsten Kurse des Jahres hinter sich gelassen. Auch bei den Privatanlegern ergibt sich ein wesentlich positiveres Bild als noch in der Vorwoche. Der Börse Frankfurt Sentiment-Index dieses Panels ist aber "nur" um 19 Punkte auf einen Stand von +18 Punkte gestiegen. Mit anderen Worten: Viele der Verkäufer aus der vergangenen Woche haben sich nun als Bullen zurückgemeldet.

Die jüngste Erhebung verdeutlicht zweierlei. Zum einen ist der Anstieg des Dax (im Wochenvergleich handelt es sich um einen Zugewinn von 1,3 Prozent) den bisherigen Bullen nicht groß genug ausgefallen, um sich von bestehenden Engagements zu trennen. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, dass eben doch noch recht viele Akteure an eine Jahresschlussrally glauben möchten. Allerdings ist der derzeitige Optimismus nicht nur absolut betrachtet mit einem Börse Frankfurt Sentiment-Index von +50 Punkten so hoch wie seit zwölf Jahren. In der relativen Sechs-Monats-Betrachtung handelt es sich sogar um den höchsten Stand seit Beginn der Sentiment-Aufzeichnungen im Jahr 2002. Es ist also kräftig gekauft und zu bestehenden Engagements wahrscheinlich auch hinzugemischt worden. Kommentiert Goldberg: „Dass ein so hoher Sentiment-Stand für den Dax nicht gesund sein dürfte, muss an dieser Stelle nicht betont werden. Denn bei eventuellen weiteren Kurssteigerungen (in Richtung 11.600) dürften Gewinnmitnahmen zwangsläufig eine Bremse für den Dax bedeuten. Die weitaus größere Gefahr ergibt sich allerdings, falls das Börsenbarometer die bisherigen Jahrestiefs unterlaufen sollte. Denn die verbleibende heimische Nachfrage dürfte in diesem Fall recht dünn ausfallen.“ Und es sei nicht anzunehmen, dass die Optimisten von heute einer derartigen Entwicklung tatenlos zusehen, sondern wahrscheinlich die Notbremse ziehen werden.

Was einer der Optimisten unter den großen Institutionen für die nächsten Tage erwartet, schreibt Allianz Global Investors in seiner Vorschau: Insgesamt sieht es nach einer bewegenden Woche aus, die durchaus (positives) Überraschungspotenzial birgt. Die geopolitischen Risiken sind soweit bekannt. Sollte es hier zu Entspannungen kommen, wäre dies vom Markt noch nicht eingepreist. Die technische Seite ist zwar noch fragil, aber die Pessimisten haben bereits die Oberhand. Das ist meistens ein guter Kontraindikator.

Mein eigenes Bauchgefühl ist dagegen noch nicht entspannt – der alte Bulle bleibt vorerst skeptisch.
Machen Sie trotzdem weiter mit – und machen Sie’s gut