Konjunktursorgen: Selektives Handeln ist jetzt angesagt

08.02.19

Als Beobachter kann man nach den ersten Februartagen den Eindruck gewinnen, als würde das Umfeld der Finanzmärkte immer undurchsichtiger. Neben den geo- und wirtschaftspolitischen Sorgen belasten jetzt auch die fundamentalen Wirtschaftsdaten das Börsengeschehen – die Diskussion über Rezessionsgefahren breitet sich aus. Während Amerika trotz unterschiedlicher Einschätzungen immer noch relativ gut dasteht, verdüstert sich das Bild in Europa. Aktienfans sollten sich darauf einstellen und nur betont selektiv einkaufen, wenn es um kurz- bis mittelfristige Anlagen geht. Langfristige Anleger können gelassen bleiben, selbst wenn der Dax noch tiefer in die Knie gehen sollte.



Von den jüngsten Analysen und Prognosen hat mich die Erhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) besonders beeindruckt, weil die Korrektur so stark ausgefallen ist: 2019 dürfte die Wirtschaft nur noch um 0,9 statt der bislang erwarteten 1,7 Prozent zulegen und damit so langsam wie seit 2013 nicht mehr. Eine Krise stehe zwar nicht bevor, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. “Allerdings kann das Wachstum noch stärker zurückgehen, wenn es zu einem chaotischen Brexit kommt.” Gefährlich werde es auch, wenn der Handelsstreit zwischen USA und Europa sowie zwischen USA und China eskalieren sollte. Die Kammerorganisation ist damit noch skeptischer als die Bundesregierung, die ihre Schätzung zuletzt auf 1,0 Prozent ebenfalls fast halbiert hatte. Die EU-Kommission erwartet 1,1 Prozent Wachstum.
“Der Ausblick verdunkelt sich”, überschrieb der DIHK die Ergebnisse seiner Umfrage unter rund 27.000 Firmen. Die Geschäftserwartungen wurden demnach in allen Wirtschaftszweigen deutlich schlechter eingeschätzt. Vor allem die Industrie leidet unter Verwerfungen im globalen Umfeld.

Dazu passt die jüngste Reduzierung der Gewinnschätzungen. Gemessen an der Marktkapitalisierung hat inzwischen ein Drittel des Stoxx 600 Quartalsergebnisse vorgelegt. Diese fallen nach dem Urteil der Deutschen Bank bisher eher enttäuschend aus. Gerade einmal 45 Prozent der Unternehmen konnten dabei die Prognosen übertreffen – so wenige wie zuletzt 2014. Positive Ausnahmen stellen die Sektoren Energie und Grundstoffe dar. Die bereits veröffentlichten Gewinne liegen hier durchschnittlich 40 beziehungsweise 16 Prozent über dem Vorjahresquartal. Bei zyklischem Konsum und Kommunikation sanken die Gewinne hingegen um durchschnittlich 17 respektive 20 Prozent. Mittlerweile erwarten Analysten für das vierte Quartal nur noch ein mageres Plus von im Schnitt 2,3 Prozent. Wegen düsterer Geschäftsausblicke und anhaltend negativer Revisionen könnte die aktuelle Markterwartung von über 7 Prozent für 2019 noch zu hoch sein.

Die Aktienanleger in Deutschland verhalten sich bisher noch auffallend unterschiedlich, wie Verhaltensökonom Joachim Goldberg in seiner jüngsten Stimmungsanalyse erkennen lässt. Zumindest die mittelfristig orientierten institutionellen Investoren an der Börse Frankfurt zeigten sich in der wöchentlichen Befragung weiter überwiegend skeptisch. Dabei hat sich der deutliche Pessimismus der Vorwoche gemessen am Börse Frankfurt Sentiment-Index etwas verringert. Wesentlich einfacher scheinen es dagegen die Privatanleger gehabt zu haben, die im Vergleich zu ihren institutionellen Pendants bereits in der Vorwoche mehrheitlich bullisch auf den Dax eingerichtet waren. Hier hat sich die Gruppe der Optimisten gegenüber der Vorwoche noch einmal erhöht.

Der Abstand zwischen der Marktstimmung privater und institutioneller Anleger hat sich damit aber nicht verringert. Nach wie vor sind die privaten Investoren wesentlich sorgloser und optimistischer (aber nicht euphorisch!) eingestellt als die institutionellen Marktteilnehmer.
Für die Börsenstimmung spielt der Faktor Zeit inzwischen eine große Rolle: Erleben wir nur eine vorübergehende Delle innerhalb einer nach den Boomjahren ruhigeren Wachstumsphase der Weltwirtschaft? Kann das Brexit-Thema alsbald befriedigend erledigt werden? Können die USA und China tatsächlich in Kürze den Handelsstreit beiliegen? Solange diese Fragezeichen im Raum stehen, bleiben die Aktienmärkte fragil. Dabei gibt es nachrichtenabhängig täglich stärkere Einzelbewegungen der Kurse nach beiden Seiten – reizvoll für aktive Stockpicker! Generell bleibe ich bei meinem Ratschlag für vorsichtige Anleger, eine Dreiteilung für frisches Kapital vorzusehen: Aktien, Gold, Cash.

Machen sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!