Nur die Konjunkturprognosen haben Konjunktur – Fortsetzung

01.10.19

Welche Haltbarkeit (und damit Qualität) haben Prognosen? An der Börse weiß man oft zu Handelsbeginn nicht einmal, wo ungefähr der Tag enden wird. Vorhersagen zur konjunkturellen Entwicklung sind in aller Regel kurz- bis mittelfristig, betreffen also die kommenden Monate und das kommende Jahr. Aber schon dieser Blick liefert im Zeitalter der Globalisierung mit unberechenbaren politischen Einflüssen keine sicheren Erkenntnisse. Wer unter den Volkswirten und Analysten dann sogar den Mut besitzt, das große Fernglas aufzusetzen, verdient zumindest Respekt, denn langfristige Prognosen bis fünf Jahre (früher wurden zehn Jahre und mehr als „langfristig“ angesehen) sind der Versuch, wenigstens erwartete Trends zu skizzieren. Das entspricht ja auch dem Wunsch vieler Investoren.

Robeco, einer der großen globalen Vermögensverwalter, pflegt diese Tradition und hat heute seine neue 5-Jahres-Vorschau präsentiert. Fazit: Erwartungen gesenkt, doch sollten sich Anleger bewusst sein, dass das größere Risiko darin besteht, sich zu früh aus riskanten Anlagen zurückzuziehen. „Wir erwarten, dass es in den wichtigsten Anlageklassen nach wie vor Chancen zur Erzielung von Risikoprämien gibt.“ Angesprochen werden damit vor allem Aktien und Rohstoffe.

Klar, dass Investmentprofis auch bei einem betont vorsichtigen Ausblick überzeugende Hoffnungen mitliefern müssen (andernfalls würden sie Kunden verlieren). Deshalb geben zahlreiche Asset Manager schon seit geraumer die Losung aus: „Jetzt das Portfolio aktiv verwalten!“ Aufs aktive Managen kommt es an (das ist ihre Expertise), nicht einfach nur passive Instrumente wie die boomenden ETFs bevorzugen. Die Aktiv-Passiv-Diskussion ist allerdings nicht neu. Ich empfehle: Auch der private Anleger sollte seine Chance-Risiko-Streuung nicht nur über mehrere Anlageklassen hinweg praktizieren, sondern unterschiedliche Anlageinstrumente einsetzen.

Das sind die wichtigsten Aussagen der Langfrist-Prognose: Aus Sicht von Robeco ist eine Rezession in den nächsten fünf Jahren unvermeidlich. Sie wird dazu führen, dass viele Anlagen Erträge unterhalb ihres historischen Durchschnitts abwerfen. Die nächste Rezession wird allerdings nicht die Tragweite der globalen Finanzkrise haben. Sie dürfte eher davon geprägt sein, dass es in Teilbereichen der Weltwirtschaft zu Übertreibungen kommt, die zusammengenommen stark genug sind, um das globale Wachstum abzuwürgen. Deshalb werden die Ertragsprognosen für die meisten Anlageklassen nach unten revidiert. Bei Staatsanleihen sind die Aussichten für die nächsten fünf Jahre uneinheitlich. Deutsche Bundesanleihen sind deutlich überbewertet und ihre Renditen dürften bei einem Anstieg der Inflation deutlich unterhalb der Geldmarktverzinsung verharren. Bei Aktien werden die Erträge im Zeitverlauf abnehmen. Aktien aus Schwellenländern gelten allgemein recht günstig. In Bezug auf den relativen Ertrag stechen Rohstoffe positiv hervor.

Hier die erwarteten jährliche Renditen 2020 bis 2024 (jeweils auf Euro-Basis berechnet): Aktien aus entwickelten Ländern 3,25 %, Aktien aus Schwellenländern 3,75 %, Deutsche Bundesanleihen -1,75 %, Staatsanleihen (entwickelte Länder, global) -0,375 %, Staatsanleihen aus Schwellenländern (Lokalwährung) 2,75 %, Investment Grade-Unternehmensanleihen 0,25 %, High-Yield-Anleihen 0,75 %, Rohstoffe 4,00 %, Liquidität -0,50 %.

Kein Mensch weiß, ob es so oder ähnlich kommen wird. Nehmen Sie die Prognosen für Ihre eigene Meinungsbildung, geschätzte Anleger! Wer so langfristig plant, dass fünf Jahre eher kurzfristig sind, hat ohnedies keine großen Sorgen – er wird jedenfalls weiter auf Aktien setzen.