Prognosen 2020 (Teil 2): Für Aktien nicht zu viel erwarten

19.11.19

Noch gibt es keine wirklich spektakulären Vorhersagen für den Börsenjahrgang 2020. Wie von mir erwartet, dominieren in den bisher von Banken und Vermögensverwaltern veröffentlichten Ausblicken die leisen Töne. Gründe gibt’s ja genug, um vor übertriebener Euphorie zu warnen. Deshalb unterstreiche ich den Appell eines prominenten Fondsmanagers: Aktienanleger sollten das neue Jahr mit mehr Vorsicht begehen als zum Jahresende 2019. Vorsicht, so möchte ich ergänzen, sollte aber nicht den Blick für die Chancen verstellen. Vielleicht (vielleicht!) wird 2020 global gesehen sogar besser als es die Skeptiker erwarten.



Deutsche Privatanleger, das wird jetzt durch neue Umfragen bestätigt, gehören seit Wochen zu den Aktienoptimisten – anders als viele institutionelle Strategen. Ein der entscheidenden Gründe: Die Privaten stellen sich mittel- bis langfristig auf ein Andauern der Niedrigzinsphase ein und erwarten eine Anhebung der Leitzinsen mehrheitlich erst im Jahr 2025 oder später. Dies ist jedenfalls das Ergebnis einer Umfrage des Deutschen Derivate Verbands. Von den rund 5.000 teilnehmenden Selbstentscheidern erwarten 20 Prozent den ersten Zinsschritt im Jahr 2025. 56 Prozent rechnen damit, dass die Zinsen sogar erst nach 2025 angehoben werden.

Seinen umfassenden Jahresausblick hat als nächstes großes Institut die DZ Bank vorgelegt. Wichtigste Aussagen für den Anleger: Die Konjunktur zieht im Sommer wieder an, der Abschwung in Deutschland hat den Boden erreicht. Also keine Panik! Auch 2020 wird kein Krisenjahr. Doch die Risiken für die Weltwirtschaft bleiben trotz versöhnlicher Signale im Handelskonflikt und den Brexit-Verhandlungen hoch. Der Euro-Raum spürt den außenwirtschaftlichen Gegenwind und kämpft – ebenso wie Deutschland – mit strukturellen Problemen, die auch die EZB mit ihrer ultra-expansiven Geldpolitik nicht lösen kann.

Die Aktienkurse haben aber bereits viel von den positiven Erwartungen für das nächste Jahr vorweggenommen. Das Research der genossenschaftlichen Bankengruppe erwartet für den Dax bis Ende 2020 ein Niveau von 13.200 Punkten. Unter den Aktienmärkten gelten die USA und Europa als langfristig erfolgversprechend. Die Aktienkurse zeigen sich von den schwachen Wirtschaftsdaten unbeeindruckt und gehen typischerweise zum Jahresende 2019 auf Rekordjagd. Momentan leben die Märkte von ihrer optimistischen Erwartung (ich nenne das „Herdentrieb“). Auch die lockere Geldpolitik befeuert die Kurse. In den USA schwächt sich das Gewinnwachstum zwar ab, doch die Bewertung ist nach den Kursgewinnen 2019 wieder gestiegen – trotzdem „drinbleiben“, raten die Strategen. Der Aufschwung an den Aktienmärkten weltweit wird sich nach bis ins Jahr 2020 hinein fortsetzen, weil unverändert Anlagenotstand vorherrscht. Anleger sollten jedoch keine Rekordpreise für Aktien zahlen, nur um dabei zu sein.

Das ändert nichts an meiner Empfehlung, in den inzwischen erklommenen Höhenlagen (und erst recht bei weiterem Anstieg) zumindest einen Teil der Gewinne zu realisieren – jedenfalls dort, wo sie schon um zweistellige Prozentsätze gewachsen sind. Andererseits werden aktive Stockpicker bei aller Vorsicht auch die Augen offenhalten und weiterhin selektive Chancen zu Käufen nutzen.