Anleger können noch nicht erleichtert aufatmen

29.03.20

Wer an der Börse erfolgreich sein will, sollte Optimismus und Mut mitbringen – möglichst viel davon. Das fällt momentan schwer. Und ich bezweifle, dass sich an der extremen Unsicherheit mit hoher Volatilität der Kurse in absehbarer Zeit etwas ändern wird. Deshalb teile ich – wenn überhaupt – die zuversichtlichen Vorschauen großer internationaler Investmenthäuser nur mit skeptischen Einschränkungen. Das erste Quartal geht ja schon zu Ende. Und die Pandemie hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Infolgedessen können wir über die wirtschaftlichen Folgen (wie lang und tief wird die Rezession?) nur spekulieren. Die jüngsten Prognosen namhafter Volkswirte klingen furchterregend. Ganz zu schweigen von den Warnungen der Virologen, eine zweite oder gar dritte Infektionswelle sei möglich.



Mut machen ist angesagt. Quarantäneregelungen, Konjunkturprogramme, Steuersenkungen – reichen diese Maßnahmen aus, um die Coronapandemie zu überwinden und die Wirtschaft im zweiten Halbjahr wieder in Schwung zu bringen? Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management, sieht Silberstreifen am Horizont: Das Beispiel China lasse hoffen. Und den USA und der Eurozone stehe ein umfangreicher Werkzeugkoffer zur Verfügung, um einen Konjunkturaufschwung in der zweiten Jahreshälfte zu ermöglichen. Mit Verlaub, schön wär’s ja, aber ich glaube es noch nicht. Das Research von M.M. Warburg ist vorsichtig: Obwohl die globale Geld- und Fiskalpolitik so expansiv wie niemals zuvor sei, werde sich in den nächsten beiden Quartalen ein deutlicher Rückgang der wirtschaftlichen Entwicklung nicht vermeiden lassen. Ob es danach zu einer schnellen, „V"-förmigen oder eher einer langsamen „U"-förmigen Erholung kommen wird, sei noch offen, wobei nach Einschätzung der Banker viel für das U spricht. Das ist gut möglich, vielleicht aber auch noch zu optimistisch.

Ich teile die zurückhaltende Einschätzung des großen Londoner Investmentmanagers Federated Hermes, wonach die jüngste Atempause an den Märkten signalisiert, dass die anfängliche Panik zumindest vorbei ist. Da der Schock von außerhalb des Finanz- und Wirtschaftssystems kam, ist klar, dass es eine äußere, also Art pharmakologische, Lösung braucht, um das System wieder in Gang zu bringen. Solange diese Lösung nicht gefunden ist, wird es schwierig bleiben, die Auswirkungen der verloren gegangenen wirtschaftlichen Aktivität zu bewerten – und daher wird es für die Märkte schwierig sein, wieder eine genaue Bewertung der Vermögenswerte vorzunehmen.

Ob die Stunde der Wahrheit näher rückt, wie es in einem Ausblick von Allianz Global Investors vorsichtig hoffnungsvoll heißt? Nein, das sehe ich noch nicht. Die Weltkonjunktur kann sich wie ein U (tiefer Einbruch, Rezession, dann nachhaltige Erholung) entwickeln oder wie ein V (schneller Einbruch, schnelle Erholung). Ich will aber auch ein „L (tiefer Einbruch, lange Rezession, ohne absehbare Erholung) nicht ausschließen. Sie können also längst noch nicht erleichtert aufatmen, geschätzte Anleger. Leider.
Alles Gute und tun Sie alles, um gesund zu bleiben!