Mehr oder weniger Risiko, das ist hier die Frage

19.03.20

Aus den täglichen Zuckungen am Aktienmarkt, wie ich sie früher wiederholt beschrieb, sind als Folge der Covid-19-Krise inzwischen abrupte und beängstigende Kurssprünge geworden. Auch und nicht zuletzt nachrichtenabhängig, wobei es oft gewisse Zeit dauert, bis die Börsianer die neuen Informationen richtig interpretieren und einpreisen können. Es ist nun mal eine globale Katastrophe, deren Folgen nicht nur Wirtschaft sind Finanzmärkte bewegen, sondern – weit mehr – alle gesellschaftlichen Bereiche erfassen. Das ist neu und schafft ein äußerst extremes Maß an Unsicherheit. Aktuell stellt sich die Frage, ob die gigantischen Geldspritzen der führenden Notenbanken ausreichen, um Börsen und Banken zu beruhigen. Geteilte Meinungen dazu in der Fachwelt. Nach Trumps „Helikoptergeld“ hat zuletzt die „Bazooka“ der EZB manchen überrascht: Im militärischen Einsatz ist der Ein-Mann-Raketenwerfer eine fürchterliche Waffe, im übertragenen Sinn geldpolitischer Maßnahmen geht es aber darum, dass die Bazooka sehr wirkungsvoll eingesetzt werden kann. Aber noch immer sind die Rufe nach zusätzlichen fiskalischen Maßnahmen nicht verstummt.



Selbst routinierte, eher bullisch gestimmte Anlageprofis machen keinen Hehl aus ihrer Unwissenheit über den Krisenverlauf. Immerhin ist mir heute eine erste konkrete Reaktion aus dem Asset Management auf den Schirm gekommen: „Wir stocken die Aktienquote im virtuellen Portfolio von knapp 10 Prozent auf 15 Prozent durch die Hereinnahme einer Dax-Position auf. Zusätzlich werden die Anleihebestände in Liquidität umgeschichtet“, meldet die DZ Bank. Zur Begründung heiß es, der Dax stehe auf dem niedrigsten Stand seit September 2013, knapp über seinem Buchwert. Zwar berge auch der deutsche Leitindex noch Korrekturgefahren, aber in einem Jahr sollte es den Unternehmen deutlich besser gehen als heute. Dann sollten auch die Kurse wieder höher stehen.

Möglich, aber noch nicht wahrscheinlich – und sicher erst recht nicht. Der heutige Ifo-Bericht ist in seinen Formulierungen so dramatisch, dass man zusammenzucken kann: „Die Bekämpfung des Coronavirus stürzt Deutschland in die Rezession.“ Auch die Münchner Wissenschaftler sind der Meinung, dass Prognosen über die Tiefe der Rezession derzeit mit extrem hoher Unsicherheit behaftet sind – besser, man beschreibt Szenarien. Für das Ifo-Institut gilt ein Rückgang der Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr von 1,5 Prozent noch als günstige Perspektive. In einem zweiten Szenario, das größere Produktionseinschränkungen unterstellt, schrumpft die Wirtschaftsleistung um 6 Prozent!

Die Erwartungen der Unternehmen für die kommenden Monate verfinsterten sich wie nie zuvor. Auch die Einschätzungen zur aktuellen Lage sind deutlich gefallen. Ist das von der Börse wirklich schon eingepreist? Ich zweifle, obwohl die Akteure momentan besonders sensibel auf schlechte Nachrichten reagieren. Sollte man als Privatanleger jetzt schon wieder mehr riskieren? Auf andere Anlageklassen als Aktien auszuweichen, drängt sich nicht einfach auf, denn fast überall tendieren die Preise südwärts. Oder lieber die Risiken noch weiter abbauen (Cash z.B.)? Ich habe keine allgemeingültige Antwort – Sie müssen selbst entscheiden, geschätzte Anleger.

Optimistische Trendfolger zitieren gerne die These „Die Geschichte wiederholt sich“, denn „Nach der Baisse ist vor der Hausse“. Richtig. Ich ergänze, gerade jetzt: Ja, sie wiederholt sich – nur anders. Und 40 Prozent Kursverlust des Dax in kurzer Zeit muss nicht heißen, man sei auf der Talsohle abgekommen.