Wenn die Unsicherheit der Börsianer schwindet

04.06.20

Wird jetzt alles gut? Ich kann gut verstehen, dass der onvista-Börsenfuchs seinen gestrigen Kommentar mit einem ironischen Vorzeichen formuliert hat. Denn die „Erholungs-Rally“ (was für ein Wort!) des Dax im großen Gang passt für den Nicht-Börsen-Profi nun wirklich nicht zum Umfeld der Finanzmärkte. Zudem bestätigen jüngste Umfragen, dass die marktbestimmenden Großanleger mehrheitlich voller Skepsis sind. Sie versammeln sich nicht euphorisch (wie es die Kurse eigentlich signalisieren) im Lager der Bullen. Also müssen kurzfristige Trader und ausländische Investoren den Dax angetrieben haben.



Warum das? Es zeugt von professionellem Mut, schon jetzt darauf zu setzen, dass wir das Schlimmste erreicht oder gar hinter uns haben. Motto: Corona verliert seinen Schrecken, so dass sich der Beginn der konjunkturellen Erholung abzeichnet. Vielleicht also tatsächlich ein Verlauf wie das von Strategen erhoffte große „V“.

Ein starkes Argument für Aktienkäufer ist natürlich das historische Konjunkturpaket der GroKo, das mit seinem 130 Milliarden Euro schweren Inhalt für die Jahre 2020 und 2021 Deutschland aus der schwersten Rezession der Nachkriegszeit holen soll. Klar, dass es wie üblich bei komplexen politischen Beschlüssen heute nicht nur Beifall gibt. Der Grad der Zustimmung durch Wirtschaft und Wissenschaft ist aber ungewöhnlich hoch. Dazu kommt der Beschluss des EZB-Rats, das Notkaufprogramms der Europäischen Zentralbank für Staats- und Unternehmenspapiere um 600 Millionen auf 1,35 Billionen Euro aufzustocken. Das übertrifft die Hoffnungen mancher Ökonomen. Das bislang bis Jahresende terminierte sogenannte Pandemic Emergency Purchase Programme (kurz PEPP) soll bis mindestens Ende Juni 2021 verlängert werden.

Also wirklich gute Gründe für die Aktienrally? Ein Fondsmanager fasst die feste Börse in seiner heutigen Analyse folgendermaßen zusammen: „Die schwindende Unsicherheit.“ In diesen Tagen zeige sich wieder einmal deutlich, wie Aktienmärkte funktionieren. Und so freuten sich alle Anleger, die diesen Zusammenhang verstehen. Medien oder auch Crashpropheten würden hingegen weiter auf die mangelnde fundamentale Untermauerung der Kursentwicklungen verweisen, am Seitenrand stehen und staunen. Wer grundsätzlich mit seinem Investment wartet, bis die Anlage in die Aktienmärkte sicher erscheint, wird immer erst dann einsteigen, wenn der Markt sich bereits in der gefährlichen Euphorie befindet.

Widerspruch. Die Unsicherheit mag jetzt schwinden, sie wird aber nicht verschwinden. Und sie kann zurückkehren. Noch wütet das Virus in vielen Ländern. Und was die Rezession genau bedeutet, werden wir durch viele düstere Nachrichten aus der Wirtschaft in den kommenden Wochen noch schlucken müssen. Die Börse will das Morgen vorwegnehmen. Doch gelingt ihr das nicht immer, nicht immer nachhaltig. Deshalb, geschätzte Anleger, bleiben Sie mutig, aber wachsam und vorsichtig zugleich. „Unsicherheit“ ist gestern wie heute ein inflationär gebrauchtes Wort an den Finanzmärkten. Werfen Sie nur mal einen Blick auf den heutigen Dax-Tageschart!