Nach der Qualität des Depots jetzt die Quantität prüfen

 09.08.20


Sie können sich im Zweifelsfall selbst eine Liste der einzelnen Punkte machen, geschätzte Anleger – und werden dann feststellen, dass wir in eine neue Phase eintreten: Ist die globale Viruspandemie mit einer tiefen Rezession im Gefolge schon über den Berg? Daraus ergeben sich neue Fragen, andere als bisher. Nicht nur für Börse und Kapitalanlage unmittelbar. Ich sehe keine Notwendigkeit, die langfristige Strategie völlig über den Haufen zu werfen. Denn die Mehrheit von Ihnen dürfte längst die Weichen dauerhaft richtig gestellt haben: Konzentration der Anlageklassen auf Aktien, Immobilien und Gold, also auf Investments in Sachwerte. Zugleich sollten die Depots gegen extreme Verluste abgesichert sein (= Risikobegrenzung).

Nun geht es nicht mehr allein um das Was, sondern mehr um die Menge und die Zeit: Sind die vielerorts wieder steigenden Infektionszahlen der Beginn einer zweiten Pandemie-Welle? Abhängig davon: Braucht die Erholung der Weltwirtschaft spürbar mehr Zeit als bisher angenommen?

Das sind nur die Eckpunkte einer bewegten Phase, die den journalistischen Lieblingsbegriff „Gemengelage“ wirklich verdient. Konkret: In den kommenden Wochen und Monaten kann die wechselhafte Nachrichtenlage eine noch stärkere Volatilität der Kurse auslösen als bisher. Sollten sich die aktuellen Vorzeichen verstärken, dann werden (geo-)politische Entwicklungen wieder stärkeren Einfluss auf das Börsengeschehen nehmen. Und: Wie geht’s ab November mit den USA ohne (oder doch mit) Donald Trump weiter?

Analysten versuchen in diesen Tagen, die bemerkenswert positive Entwicklung der Aktienkurse und die zuversichtlicher werdenden Wirtschaftsprognosen für 2021/22 in Einklang zu bringen. Die konjunkturelle Erholung sowie beispielloser Stimulus von Geld- und Fiskalpolitik haben maßgeblich zur schnellen Erholungsbewegung bei den risikobehafteten Vermögenklassenbeigetragen. Aufgrund des durch die massive Liquiditätszufuhr der Notenbanken ausgelösten Anlagenotstands akzeptieren Investoren in einigen Marktsegmenten erhöhte Bewertungen, fragen sich mittlerweile aber auch, ob die Börse der ökonomischen Realität nicht zu weit vorausgeeilt sei. Skeptiker (kurzfristig bin auch ich einer) grübeln jetzt über das Enttäuschungspotenzial. Schreibt mir Geir Lode, Head of Global Equities, bei Federated Hermes: „Ruhe schwebt über den Aktienmärkten – und den Volatilitäts-Index Vix zieht es weiter nach unten. Eine klassische Sommerflaute? Normalerweise. Aber: Das Jahr 2020 war größtenteils alles andere als typisch. Die Gewinnsaison zeigte sich als potentielles Pulverfass. Hintergrund waren Spannungen zwischen den USA und China, das Ende des US-Konjunkturpakets und das Wiederaufleben des Coronavirus in zahlreichen Ländern.

Dennoch hat die Gewinnsaison wenig Überraschungen gebracht. Die Gewinnschätzungen wurden mit dem Lockdown rasch angepasst – ohnehin war die Analystengemeinschaft zu pessimistisch.“

Wer von Ihnen, liebe Leser, jetzt besorgt ist, dass die Unsicherheit in Wirtschaft und Politik jetzt spürbar zunimmt, dem empfehle ich mindestens einen Gang herunter zu schalten. Dazu gehört zu prüfen, ob man sein Portfolio für eine gewisse Zeit abspecken sollte – durch teilweise Gewinnmitnahmen oder den Verkauf von bisher enttäuschenden Investments. Testen Sie jetzt Ihr Näschen, ohne gleich ängstlich auszusteigen, liebe Leser!