Was kann die Börse jetzt vorwegnehmen?

06.08.20

Wir werden auch diese Krise in den Griff bekommen und überwinden. Kein Zweifel. Die Frage ist nur, wann? Der Faktor Zeit spielt naturgemäß für die Börse eine besondere Rolle, denn die Anleger wollen ja die Zukunft in den Kursen von heute vorwegnehmen. Langfristige Investoren haben damit kein Problem – sie setzen jederzeit auf die Aktie. Was aber muss die große Herde der spekulationsbereiten Anleger mit kurz- bis mittelfristigem Zeithorizont gerade jetzt tun, was ist schon eingepreist?


Das Problem wurde heute schon durch die Nachrichten in den ersten Stunden des Handels deutlich: Das Corona-Virus breitet sich in Deutschland wieder so schnell aus wie zuletzt vor drei Monaten. Erstmals seit Mai meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) am Donnerstag über 1.000 Infektionen binnen eines Tages – eine kritische Grenze wurde überschritten. Zusammen mit anderen – internationalen – Meldungen von der Pandemie-Front warnt mein Bauchgefühl, die Skeptiker dürften mit ihren Ankündigungen einer bevorstehenden zweiten Infektionswelle recht bekommen. Das wäre fatal für die Wirtschaft, hätte noch schlimmere Folgen für den Arbeitsmarkt.

Doch meldet das Bundeswirtschaftsministerium, dass sich die Auftragsbücher der deutschen Industrie nach den Corona-bedingten Einbrüchen in Rekordgeschwindigkeit auffüllen. Die Bestellungen stiegen im Juni vor allem wegen der besseren Binnennachfrage um 27,9 Prozent zum Vormonat – viel stärker als von Experten erwartet. Das kann allen Beteiligten Mut machen.

Der verfliegt aber umgehend wieder, wenn man eine weitere frische Agenturmeldung liest: Die deutsche Industrie erwartet wegen der weiterhin schweren Folgen der Corona-Krise keine schnelle Erholung der Wirtschaft und fordert Nachbesserungen bei staatlichen Hilfen. „Ohne mehr und zielgerichtetere Hilfen befürchten wir einen deutlichen Anstieg der Insolvenzen ab Herbst", sagte Industriepräsident Dieter Kempf der Deutschen Presse-Agentur. „Die Liquidität muss verbessert werden, die Firmen brauchen Eigenkapital. Das kann zu einem großen Problem werden, wenn nicht gegengesteuert wird. Die Unternehmen sind sehr stark bankenfinanziert." Kempf sagte, er teile den Optimismus von Wirtschaftsminister Peter Altmaier nicht, dass es im Oktober wieder aufwärts gehe. Es werde wohl deutlich länger dauern, das Wachstum werde 2021 und möglicherweise auch 2022 noch verhalten sein.

Ich gehe davon aus, dass es mit den Plus- und Minussignalen so weitergehen wird. Jedenfalls für einige Monate. Das dürfte an der Börse für anhaltende Stimmungs- und Kursschwankungen sorgen, die es Ihnen, geschätzte Anleger, kurzfristig nicht leicht machen.