Viele Prognosen, aber keiner weiß was kommt

 22.09.20

Man könnte den letzten Sommertag auch zum „Konjunktur-Prognose-Tag“ erklären: Während es draußen noch trocken und warm bleibt, liefern uns prominente Propheten ihre neuesten Vorhersagen zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung. Auch die klingen zwar nicht übel, sind aber nur verhalten optimistisch mit Korrekturen früherer Einschätzungen (was ganz normal ist). Der in meinen Augen wichtigste Satz kommt von Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser: „Die Unsicherheit bei den Prognosen ist sehr groß, weil niemand weiß, wie die Corona-Pandemie weiter verläuft, ob es nicht doch noch einen harten Brexit gibt und ob die Handelskriege beigelegt werden.“

Aber welche Tendenz haben die neuen Vorhersagen? Laut Ifo verläuft der Absturz der deutschen Wirtschaft glimpflicher als gedacht. Konkret: Sie dürfte in diesem Jahr um 5,2 Prozent schrumpfen. Im Sommer hatten die Forscher noch minus 6,7 Prozent vorhergesagt. Dafür wird das Wachstum der Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr geringer ausfallen: Das Institut rechnet nun mit 5,1 Prozent statt 6,4 Prozent. Und für das Jahr 2022 wird nur ein Plus von 1,7 Prozent erwartet.

„Die Erholung der Weltwirtschaft von den Tiefen des Covid-19-Absturzes ist deutlich schneller vorangeschritten als wir uns das vorgestellt hatten”, schreibt Deutsche-Bank-Chefökonom Peter Hooper. Der Aufholprozess dürfte bis Mitte 2021 abgeschlossen sein – ein paar Quartale früher als in der vorherigen Prognose.

Nach der Aufholjagd im Sommer verlangsamt sich laut Bundesbank voraussichtlich der Aufstieg der deutschen Wirtschaft aus der Corona-Rezession. Im weiteren Verlauf des Jahres dürfte sich die Erholung zwar fortsetzen, aber an Tempo verlieren, heißt es im neuen Monatsbericht. Noch vorsichtiger klingt die EZB-Chefin Christine Lagarde: Sie sieht die Erholung im Euro-Raum immer noch wackelig und die Wirtschaft im Euro-Raum noch längst nicht über den Berg.

Was können Sie damit anfangen, geschätzte Anleger? Die Prognosen tragen sicher zu Ihrer Meinungsbildung bei, erleichtern jedoch nicht Ihre Investmententscheidungen. Denn nur eines ist jetzt schon sicher: Diese und ähnliche Vorhersagen werden im Laufe der kommenden Monate immer wieder revidiert und korrigiert – die Unsicherheit über den Verlauf der Corona-Pandemie und die Folgen für die Wirtschaft wird noch länger anhalten.

Immerhin gibt es zwei Märkte, die sich dem Anleger anbieten. Denn die Immobilie als Klassiker unter den Sachwerten hat in der Fachwelt fast ausnahmslos Befürworter – auch nach langem Boom. Die Perspektiven für den deutschen Wohnimmobilienmarkt

gelten weitere als günstig. Der Markt ist längst nicht so überbewertet, wie manche Akteure dies bisher suggerierten. Der Markt wird sich Prognosen zufolge wegen Corona stärker differenzieren: Die Innenstädte mit kleineren Wohnungen dürften für Singles wegen der kurzen Wege weiter gefragt bleiben. Für Familien wird das gut angebundene Umland der Großstädte mit größeren Wohneinheiten an Attraktivität gewinnen. Die Preise in den Großstädten werden aber nicht sinken, sondern nicht mehr so dynamisch wachsen wie in den vergangenen Jahren.

Besonders positiv sehen die Prognosen für China-Aktien aus, die seit längerem zu meinem engeren Favoritenkreis gehören. In der aktuellen September-Umfrage steigt der CEP-Indikator um 18,3 Punkte auf 44,4 Punkte – den mit Abstand höchsten Wert seit Beginn der Umfrage Mitte 2013. Dieser Indikator, der auf Basis des China Economic Panel (CEP) in Kooperation mit der Fudan Universität (Shanghai) erhoben wird, gibt die Konjunkturerwartungen internationaler Finanzmarktexperten für China auf Sicht von zwölf Monaten wieder. Entsprechend den jüngsten Prognosen würde die chinesische Wirtschaft im nächsten Jahr wieder die Wachstumsraten wie vor der Corona-Krise erreichen. Na also