Ein verrücktes Börsenjahr mit irren Zahlen

 18.12.20

Seien Sie nicht enttäuscht, geschätzte Anleger, wenn sich in die verbreitete Hochstimmung (trotz Corona-/Konjunkturkrise) auch mal Bad News mischen. Der Markt verträgt sie, selbst ein mögliches Scheitern der verlängerten Brexit-Verhandlungen. Und es ist total egal, ob der Dax noch heute, nächste Woche oder erst Anfang 2021 ein neues Allzeit-Hoch markiert. Heute passt der neue Ifo-Indikator in das optimistische Gesamtbild: Die Stimmung unter den deutschen Managern hat sich verbessert. Der Geschäftsklimaindex ist im Dezember auf 92,1 Punkte gestiegen, nach 90,9 Punkten im November. Die Unternehmer waren zufriedener mit ihrer aktuellen Geschäftslage. Zudem blicken sie weniger skeptisch auf das kommende halbe Jahr.

Recht hat Hans-Jörg Naumer, der erfahrene Vordenker von Allianz Global Investors, der seine Gedanken zum Wochenausklang wie folgt beginnt: „Das ist vermutlich das erste Jahr meiner gesamten beruflichen Karriere, währenddessen ich im November/Dezember nicht gefragt worden bin, ob sie denn komme, die Jahresendrally. Verständlich, hatten wir doch seit der auf den Einbruch im März folgenden Erholung das gesamte restliche Jahr ‚Jahresendrally‘, wenn auch mit Unterbrechungen.“

Ja, man kann schon jetzt Bilanz ziehen, obwohl noch ein paar Börsentage folgen. Die Zahlen sind erstaunlich. Kein Prophet konnte sie so Anfang 2020 vorhersagen, erst recht nicht nach dem Crash. Dabei steht der europäische Stoxx 600 im Vergleich mit dem Dezember 2019 zwar leicht schlechter da, aber dennoch: Auch seine Erholung auf den Ausbruch der Corona-Pandemie lässt sich sehen. Der technologielastige US-Aktienmarkt S&P 500 sah im November sogar seinen besten Monat seit 1928 und legte innerhalb der letzten 12 Monate deutlich zweistellig zu, ebenso wie der Aktienindex (MSCI) für die aufstrebenden Staaten. Fiskal- und Geldpolitik haben weltweit die Fantasien beflügelt, wenn sich jetzt auch zeigen muss, inwieweit diese Fantasien halten was sie versprechen. Spektakulär ist zudem der steile Anstieg von Bitcoin weit über die Marke von 20.000 Dollar hinaus. Kupfer als wichtigstes Industriemetall profitiert von China-Fantasie und hat fast 8.000 Dollar je Tonne und damit ein 8-Jahres-Hoch erreicht.

Große Zahlen auch zu einem zentralen Thema der Kapitalanlage: Nachhaltigkeit. Rund 7,2 Billionen Dollar sind mittlerweile in ESG-Finanzprodukten angelegt, die Umweltaspekte (engl.: Environment), soziale Komponenten (engl.: Social) sowie die Qualität der Unternehmensführung (engl.: Governance) berücksichtigen – mehr als doppelt so viel wie noch 2019! Mit 80 Prozent entfällt der Löwenanteil dieser Anlagen bisher auf Europa. Deutsche-Bank-Stratege Dirk Steffen erwartet jedoch, dass das Thema zunehmend auch in den USA an Relevanz gewinnen wird. Denn ESG-Anlagen haben sich in der Corona-Krise – bei vergleichbarer Performance – als schwankungsärmer erwiesen. Zudem dürfte der Kampf gegen Klimawandel, soziale

Ungleichheit und Diskriminierung unter US-Präsident Joe Biden entschlossener geführt werden. Strengere Vorschriften und Normen sollten wiederum mittelfristig zu einer Verbesserung des ESG-Ratings von US-Unternehmen führen. Kurzfristig dürften die US-Kapitalflüsse jedoch weiterhin in Regionen mit vergleichsweise hohen Ratings wie Europa gehen und dort die Kurse stützen.

Spektakulär sind die Folgen fehlender Zinsen am Kapitalmarkt. Der weltweite Bestand an Anleihen, die zurzeit negativ rentieren, ist vergangene Woche um 1 Billion Dollar auf ein Volumen von 18 Billionen US-Dollar (!) gestiegen – ein Rekordhoch. Das sind 27 Prozent aller aktuell ausstehenden Anleihen mit „Investment Grade“-Rating weltweit.

Keine großen Zahlen, dafür eine historische Besonderheit liefern aktuell die monatlichen Teuerungsraten, sind sie doch ins Minus gerutscht. 2021 dürfte der Preisdruck zunehmen. Allein das Ende der temporären Mehrwertsteuersenkung kann zu einer Erhöhung der Inflationsrate um bis zu 0,8 Prozentpunkte führen. Auch vom Energiesektor sind preistreibende Effekte zu erwarten. Nicht nur der Ölpreis lag zuletzt wieder höher, was die Rechnung beim Tanken und Heizen nach oben treibt; auch die Verteuerung der CO2-Emissionszertifikate dürfte die Energiepreise treiben und die Inflation um etwa 0,3 Prozentpunkte anheizen. Analysten erwarten, dass die Inflationsrate in Deutschland 2021 von aktuell minus 0,3 Prozent auf plus 1,2 Prozent steigen wird.

Na und? Für mich kein besorgniserregendes Thema. Selbst wenn die Inflation noch höher steigen würde, wäre das kein Problem: Das würde meine favorisierten Anlageklassen noch mehr in den Mittelpunkt rücken – ich empfehle deshalb noch intensiver Investments in Aktien und Gold!