Die latente Angst vor der nächsten Welle

 22.06.21

Sie gehören hoffentlich zum Kreis der Aktienfans, die ihr Depot mit viel Freude beobachten können. Und das schon seit einiger Zeit. Doch keimt beim Blick nach vorn immer wieder Unsicherheit auf, die überschwängliche Euphorie verhindert. Das ist gut so. Mit anderen Worten: Dass der Dax momentan nur noch mit kleinen Schritten vorankommt und immer wieder Pausen einlegen muss, ist angesichts der rasant-steilen Erholung vom Crash der ersten Corona-Monate 2020 ganz natürlich. Es geht also nicht mehr kontinuierlich weiter aufwärts.

Das beherrschende Thema sind die Notenbanken und ihre Geldpolitik, denn die Börsianer sind es nicht mehr gewohnt, über die Folgen steigender Inflation und Leitzinsen diskutieren zu müssen. „Schuld“ ist die Fed, die verbal die monetäre Wende vorbereitet – obwohl sie so schnell gar nicht kommen soll. Angeblich hatten sich die meisten amerikanischen Marktteilnehmer auf „frühestens 2004“ eingestellt und werden jetzt nachdenklich, weil die Federal Reserve den Schalter schon 2003 – oder noch früher? – umlegen dürfte. Müssen die Finanzmärkte das schon jetzt vorwegnehmen?

Neben der Interpretation eines Re-Inflationierungsprozesses und seinen Auswirkungen auf die Liquidität geht es um den Zusammenhang mit den fundamentalen Wirtschaftsdaten – um Konjunktur und Unternehmensgewinne. Dazu darf man die Interdependenzen mit der Pandemie nicht verdrängen. Dies ist eine Bremse für die Börse, obwohl Corona inzwischen nicht mehr direkt kursrelevant ist. Das gilt zumindest für Dax & Co., weil bei uns die Infektionszahlen so steil fallen, dass man keine Angst mehr zu haben braucht. Im Hinterkopf bleibt die Pandemie aber schon allein wegen der Sorgen über neue Virus-Varianten – kann der gefährliche Delta-Typ eine weitere Welle auslösen?

Laut einer aktuellen EY-Studie befanden sich Anfang Juni 260 Vakzine und über 500 Therapeutika gegen das Virus in der Entwicklung. Zudem seien inzwischen mehr als 1.000 verschiedene Corona-Tests auf dem Markt. Vor allem der Bedarf an Arzneien sei hoch, angesichts vieler neuer Virus-Varianten seien demnach aber auch weitere Impfstoffe nötig. Die große Sorge, die wir alle haben müssen, ist die deutlich geringere Impfquote in ärmeren Ländern, warnte ein Experte der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft. Nach deren Schätzungen haben bisher nur 0,8 Prozent der Menschen in einkommensschwachen Ländern mindestens eine Impfdosis erhalten und insgesamt 20,7 Prozent der Weltbevölkerung. Erst wenn deutlich über 60 Prozent der Weltbevölkerung vollständig geimpft sind, wird die Zahl der Varianten voraussichtlich zurückgehen. Und neue Virus-Varianten könnten den Bedarf an neuen Vakzinen fördern. In der EU sind derzeit vier Covid-Impfstoffe zugelassen, 17 weitere befinden sich der EY-Untersuchung zufolge in der entscheidenden dritten Phase der klinischen Entwicklung.

Viele Wenn und Aber. Wie man die anlagetaktisch verarbeitet, ist eine individuelle Aufgabe. Ein Patentrezept gibt es nicht. Ängstliche Typen werden (wenn nicht schon geschehen) ihre Aktienbestände erst einmal reduzieren, Gewinne realisieren und vorläufig kaum noch neu investieren. Der mutige Anleger hingegen wartet auf schwächere Tage (die es immer wieder gibt), um seine Positionen weiter aufzustocken.

Ich empfehle allen: Achten Sie vor allem weiter auf Ihre Gesundheit und werden Sie nicht leichtsinnig – die Pandemie ist noch nicht überwunden!