Wenn die Börsen-Bären kapitulieren

 24.10.21

Noch ist es ein Verdacht, den Frankfurter Sentiment-Analysten hegen. Sollte er sich bestätigen, könnte sich daraus eine Belastung für den Dax entwickeln. Denn zu viel Optimismus ist für den Aktienmarkt erfahrungsgemäß gefährlich. Aber auch abgesehen vom technischen Bild und der Stimmungslage im Handel gibt es einen zentralen Problempunkt, der gerade in den letzten Tagen von den Investoren vernachlässigt wurde: die Bedrohung der Weltwirtschaft durch ein Wiederaufleben der Pandemie. In einer Reihe von nahen und fernen Ländern sind die täglichen Corona-Zahlen wieder beängstigend gestiegen. So auch bei uns. Das könnte sich im Winterhalbjahr beschleunigt fortsetzen.

Positive Konjunkturindikatoren und Unternehmensberichte sollten also nicht isoliert betrachtet werden, sondern auch im Zusammenhang mit den besonderen Risiken. Die Frankfurter Verhaltensforscher von Goldberg & Goldberg haben in ihrer jüngsten Befragung festgestellt, dass jetzt die große Stimmungskluft zwischen institutionellen und privaten Investoren aus den Vorwochen geschlossen wurde – die Ergebnisse beider Panels lagen nunmehr fast gleichauf. Der starke Stimmungsumschwung, vor allen Dingen bei den institutionellen Investoren, kann nahezu als „Kapitulation der Bären“ gelten. Die Stärke des neu aufgekommenen Optimismus wird vor allen Dingen in der relativen Betrachtungsweise auf sechs Monate deutlich. Denn der so berechnete Wert für dieses Zeitfenster ist so hoch wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2002!

Ein derart hoher Optimismus für den Dax ist normalerweise mit enormen Belastungen verbunden, bis hin zu einem deutlichen Kursrückgang. Zumindest dürften Gewinnmitnahmen aus den aktuellen Engagements nicht lange auf sich warten lassen, wenn der Dax das derzeitige, vermutlich überwiegend hausgemachte Momentum nicht beibehält. Auf der anderen Seite ist die Nachfrage aus heimischen Quellen durch die jüngste Entwicklung so ausgedünnt, dass man sich normalerweise Sorgen um unseren Leitindex machen müsste. Dagegen stellt die ansehnliche Kassenquote von 4,7 Prozent der internationalen Investoren, die sich aus der jüngsten BofA-Umfrage (per 14.10.) ergibt – vergleichsweise viel Futter für mögliche Zukäufe aus dem Ausland dar.

Vergessen wir nicht, wie stark die Märkte seit Ausbruch der Pandemie durch die konsequente Liquiditätspolitik der Notenbanken plus staatlicher Hilfsprogramme gestützt werden. Wohin mit dem vielen Geld, wenn es keine sinnvollen Alternativen zur Aktie gibt? fragen sich die Performance orientierten Anleger bis heute. Das Gros der Protagonisten tickt gleich oder zumindest ähnlich – der Herdentrieb bestimmt die Tagestendenz. Mit hoher Sicherheit lässt sich heute lediglich vorhersagen, dass sich die Kurse weiter stark uneinheitlich entwickeln werden – nach Ländern, Themen, Branchen und Einzelwerten. Wer heutzutage seine Aktienposition weiter aufstocken will, wird dies genau gezielt tun – also sehr selektiv.