Langfristig Aktien – was sonst

 24.04.22

Gestern hatte ich die Kopie eines Anlegerbriefs in der Post, der vor ziemlich genau zehn Jahren unter meinem Namen erschienen war („Kutzers Anlegerbrief“). Ein alter Bekannter entdeckte ihn in seinen Börsenunterlagen und dachte sich, die Aussagen von damals könnten mich interessieren (Herzlichen Dank, gute Idee!) Die Überschrift meines Editorials von 2012: Langfristig Aktien – was sonst! Den Text könnte ich auch heute weitestgehend unverändert formulieren. Deshalb (und nicht aus Bequemlichkeit) übernehme ich im Folgenden davon wichtige Passagen. Merke: Die Dinge verändern sich zwar, aber manche bleiben.

Unabhängig von der Position, die man heute als Investor, Börsianer oder Beobachter einnimmt – wir erleben eine ganz ungewöhnliche Phase der großen Herausforderungen, die noch über Jahre hinweg andauern kann. Ungewöhnlich deshalb, weil sie auch nur einigermaßen sichere Analysen und Wertungen kaum noch zulässt. Und so drängt es Experten aller Lager zu historischen Vergleichen und Parallelen mit früheren Phasen. Für wenig hilfreich halte ich die nicht enden wollende Flut der Beschreibungen von kommender Inflation, Deflation, Stagflation und Rezession. Damit wird das unternehmerische Denken nur gehemmt und nicht gefördert.

Wie gesagt, dies ist ein zehn Jahre alter Text! Er basiert an mehreren Stellen auf einem Interview, dass ich mit dem viel zu früh verstorbenen Investment-Querdenker und Fondsgründer Gerd Bennewirtz führte. Dieser warnte (ähnlich wie ich) die Privatanleger vor voreiligen Entscheidungen und panikartigem Verhalten. Im Gegenteil plädierte er nachdrücklich für die langfristige Aktienanlage. Dazu lieferte er augenzwinkernd folgenden Vergleich: „Ein Mann genießt in einem feinen Fischrestaurant ein mehrgängiges Menu, das ihm überraschenderweise aber schlecht bekommt. Erst nach ein paar Tagen Bettruhe ist er wieder auf den Beinen. Sollte der Mann künftig auf leckeren Fisch ganz verzichten, um sich wieder an Pommes-Buden zu sättigen? Nein, er sollte natürlich weiterhin Fisch genießen – nur nicht mehr in diesem Lokal bzw. von diesem Koch.“

Für Bennewirtz waren Aktien die beste Investition: Der Anleger braucht doch eine Anlageklasse, die selbst einen Mehrwert schafft, also einen unternehmerischen Ansatz hat. Ob Direktanlage oder Aktienfonds – Bennewirtz legte sich hier nicht fest, sondern verweist auf die unterschiedlichen Ausgangslagen der Anleger. Letztlich müsse der Privatanleger selbst entscheiden, ob er einen Berater/Vermögensverwalter braucht oder ob er über seine Anlagen selbst entscheiden will.

Ausgehend von seinerzeit Dax-Ständen um 6.000 Punkte herum war der Investmentexperte zu einer langfristigen Prognose bereit: „Der Dax wird bis zum Jahr 2020 auf ein Niveau von 15.000 bis 20.000 steigen.“ Ich bin sicher, liebe Leser, dass Sie auch dem damaligen Spruch der Woche zustimmen werden, der Winston Churchill zugeschrieben wird: Nach Meinung der Sozialisten ist es ein Laster, Gewinne zu erzielen. Ich bin dagegen der Ansicht, dass es ein Laster ist, Verluste zu machen.“