Themenfonds für weitsichtige Anleger

 26.04.22

Der Faktor Zeit spielt bei der Kapitalanlagestrategie oft eine besondere Rolle. Meist geht es um den richtigen Zeitpunkt für Wertpapierkäufe oder -verkäufe (Timing) unter Berücksichtigung der Preisentwicklung. Ich gehöre allerdings zu jenen Marktbeobachtern, die vor allem die Haltedauer in den Vordergrund stellen. Deshalb plädiere ich seit langem für die langfristige Aktienanlage. Besondere Beachtung finden bei den Anlegern auch die Diskussionen über die Bedeutung neuer Anlageklassen und -instrumente. Bei den Analysten von Morningstar finde ich jetzt eine kritische Kombination beider Aspekte, die sich private Anleger zu Herzen nehmen sollten. Dabei stehen die populär ggewordenen Themenfonds unter den ETFs im Mittelpunkt.

Die Folgen des Ukraine-Kriegs und die Pandemie bestimmten das Geschehen am ETF-Markt. Erdgas, Nickel und Kryptowährungen performten zuletzt am besten, geht aus der Betrachtung des Finanzanalyse- und Ratinghauses hervor. Verluste erlitten indes chinesische Aktien und Einzelhandelsaktien aus Europa. Besonders viel Geld locken thematische Fonds an. Doch sollten Interessenten den Unterschied zwischen einer attraktiven Modeerscheinung und einem lohnenden längerfristigen Trend kennen. Motto: Kenne den Nutzen, kenne die Illusion!

Die Begeisterung der Anleger für Themenfonds reißt nicht ab. Und das globale Angebot in dieser Anlagekategorie ist so groß und vielfältig wie nie zuvor. Ende Dezember 2021 gab es in der globalen Datenbank von Morningstar 1.952 Fonds, die der Definition von Themenfonds entsprechen. Im vergangenen Jahr wurden weltweit 589 neue Themenfonds aufgelegt, mehr als doppelt so viele wie 2020. Diese Fonds versuchen, säkulare Wachstumsthemen zu nutzen, z. B. Technologiethemen wie Künstliche Intelligenz, Generationentrends wie die der Generation Z (= Post-Millennials). Themenfonds sind attraktiv für Anleger, weil sie relativ leicht zu verstehen sind. Die Investmentthemen nutzen starke Narrative, die den Anlegern bekannt sind, wie etwa die Überalterung der Bevölkerung, der Übergang zu einer digitalen Wirtschaft oder der Siegeszug von Elektrofahrzeugen. Das macht sie offensichtlich leicht verständlich.

Die Auflegung von Themenfonds ist ein Phänomen des Bullenmarkts. Ihre Auflegung verläuft meist zyklisch, weil neue Strategien oft in Zeiten mit starker Performance auf den Markt kommen. Genauer gesagt, konzentrieren sie sich auf das Ende einer Haussephase. Interessant ist auch, dass 2021 mehr als zwei Drittel der Themenfonds schlechter abschnitten als der Morningstar Global Markets Index. Das ist eine dramatische Kehrtwende im Vergleich zu ihrem hervorragenden Ergebnis im Jahr 2020 und verdeutlicht die Volatilität, die mit thematischen Investments einhergeht. Aus diesem Grund ist es für langfristige Anleger wichtig, Moden von langfristigen Trends zu unterscheiden.

Anleger sind oft genau zum falschen Zeitpunkt in die Fonds eingestiegen und wurden dann enttäuscht. Aus diesem Grund sollten Anleger, die Themenfonds in Erwägung ziehen, lange und gründlich darüber nachdenken, ob ein bestimmtes Thema einen langfristigen Nutzen hat oder nur eine Illusion ist, empfiehlt Morningstar. Anleger in Themenfonds gehen im Grunde drei Wetten ein: 1) dass das von ihnen gewählte Thema wie erwartet wachsen wird, 2) dass die Unternehmen in ihren Fonds so positioniert sind, dass sie vom Wachstum dieses Themas profitieren und 3) dass sich das Gewinnwachstum in attraktiven Aktienrenditen niederschlagen wird.

In Wahrheit ist die Wahrscheinlichkeit, die Wetten zu gewinnen, gering (aber die voraussichtliche Auszahlung kann hoch sein). Zum einen steigt mit dem zunehmenden Alter eines Fonds die Wahrscheinlichkeit, dass er geschlossen wird, zum anderen sinkt bei den überlebenden Fonds die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine bessere Performance als der Weltmarkt erzielen. Themenfonds, die Vorteile für die Diversifizierung und die Dynamik eines Portfolios haben, sollten nach dem Rat der Analysten also nur einen kleinen Teil des Gesamtinvestments ausmachen. Letztendlich sollte sich der Anleger fragen: Wird es den Themenfonds, den ich heute kaufe, in zehn Jahren noch geben, und wenn ja, werden die Themen und die ihnen zugeordneten Fondspositionen noch relevant sein?