Nach der Wahl bleibt den Anlegern die Qual
23.02.25
Sind Sie mit dem Wahlergebnis zufrieden, geschätzte Anleger? Deutschland bleibt parlamentarisch kompliziert. Damit müssen Wirtschaft und Finanzmärkte jetzt fertig werden.
Und jetzt? Friedrich Merz wird der neue Bundeskanzler. Aber mit welcher Regierungskoalition? Nach den ersten Hochrechnungen gestern Abend blieb unsicheres Achselzucken. Und man darf gespannt die Börsenreaktionen der neuen Woche abwarten. Ich befürchte, dass Trump mit America first auch für uns die Schlagzeilen beherrschen wird.
Konjunktur gewinnt an Schwung
In den vergangenen Tagen bemühten sich unsere Investmentstrategen um mehr Optimismus. Typisches Beispiel: Wann kommt der Aufschwung? Das fragt sich nun Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management. Denn die Wirtschaft in der Eurozone zeigt erste Erholungstendenzen. Sinkende Inflation und verbesserte Stimmungsindikatoren deuten darauf hin, dass der Abschwung seinen Tiefpunkt erreicht haben könnte. Gleichzeitig bleibt die Geldpolitik ein entscheidender Faktor: Während der Markt noch mehrere Zinssenkungen erwartet, könnten es laut Walk letztlich weniger werden.
In Deutschland könnte die Bundestagswahl eine schwierige Regierungsbildung nach sich ziehen – mit Auswirkungen auf die wirtschaftliche Stabilität und Reformfähigkeit des Landes. Die Finanzmärkte werden genau beobachten, wie sich diese Entwicklungen auf Geldpolitik und Investitionen auswirken.
Was macht die US-Handelspolitik?
Ähnlich klingt eine aktuelle Betrachtung des Helaba Research: Die Stimmung an den Finanzmärkten dreht sich vor allem um das Thema US-Handelspolitik. Die Aussagen von US-Präsident Trump zu Gegenzöllen sind in der abgelaufenen Handelswoche etwas konkreter geworden. Er will im April Zölle auf Medikamente, Holz, Autos und Halbleiterbauteile erhöhen. Für die deutsche Wirtschaft könnte es also ernst werden. Gut, dass am Sonntag ein neuer Bundestag gewählt wird und so die politische Stimme im Euroraum vermutlich gestärkt wird. Die Aktien gönnten sich erst einmal eine Verschnaufpause. Der deutsche Leitindex verlor nach seinem Rekordhoch rund 2 %, blieb aber über der Marke von 22.000 Punkten.
Bislang haben sich die Investoren jedenfalls kaum an der eher verhaltenen deutschen/europäischen Reaktion auf die Ankündigungen von Donald Trump gestört. Die Aussicht auf höhere gemeinsame europäische Verteidigungsanstrengungen hat in der abgelaufenen Handelswoche jedoch zu einem Zinsanstieg am Rentenmarkt beigetragen. Die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihen kletterte um 12 Basispunkte. Dies wiederum begünstigte den Euro, der Euro-Dollar-Kurs notierte mit 1,05 nahe am Jahreshoch. Gleichzeitig scheinen die Aktienanleger den Euroraum noch nicht abgeschrieben zu haben, denn seit Jahresbeginn hat sich der deutsche Leitindex Dax mit einem Plus von rund 12 % deutlich besser entwickelt als seine amerikanischen Pendants.
Eigentlich alles in Ordnung?
Nicht ganz, wenn man sich die Entwicklung des Goldpreises anschaut. Das Edelmetall hat erneut ein Rekordhoch bei 2.955 $/Uz. erreicht, auf Jahressicht legten die Notierungen auf Dollarbasis um 12 % zu und sind damit auf Augenhöhe mit dem Dax. Allerdings ist diese Performance im Wesentlichen auf Safe-Haven-Käufe zurückzuführen. Letztlich ist allen Beteiligten klar, dass Donald Trump vor dem Hintergrund der hohen US-Staatsverschuldung einen Finanzier für seine Wirtschaftspolitik sucht. Insofern ist es erstaunlich, wie relativ entspannt die Lage an den Finanzmärkten bisher ist.
Ob das in der Berichtswoche so bleibt? – Vermutlich ja. Zwar ist nicht zu erwarten, dass die Bundestagswahl für eine große Aufbruchstimmung sorgen wird, aber vielleicht bringt das Ende der Wahlkampfdebatten doch eine gewisse Erleichterung.
Die wirtschaftliche und politische Entwicklung in den USA bleibt ein wichtiger Faktor für die globalen Finanzmärkte. Eine stabile deutsche Regierung mit einer wirtschaftsfreundlichen Agenda könnte jedoch wieder einen positiven Ton für Europa anschlagen - wichtig angesichts der drohenden Zölle auf europäische Exporte in die USA. In diesem Fall würden wir einen leichten Anstieg der Renditen von Bundesanleihen erwarten, da die Anleger darüber nachdenken, was eine Lockerung der Schuldenbremse bewirken könnte: eine Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und einen Anstieg der Anleiheemissionen.
Aktien können profitieren
Aktien, insbesondere deutsche und europäische zyklische Industriewerte, aber auch Finanzwerte, könnten von den verbesserten Wachstumsaussichten für Europas größte Volkswirtschaft profitieren. Bei einem Wahlausgang auf entsprechend den bisherigen Umfragen könnte sich die Outperformance der europäischen Aktien seit Jahresbeginn fortsetzen.
Der Faktor Zeit
Zu guter Letzt: Für uns alle kommt es jetzt darauf an, dass die neue Politik in unserem Land mit den vielen ungelösten Problemen schnell konkretisiert wird. Die Börse muss davon erst noch überzeugt werden.