Aktienmärkte: Die schwierige Suche nach den Schuldigen

Aktienanleger müssen sich Experten zufolge auch in dieser Woche auf Kursverluste einstellen. Denn so wie die Investoren in Europa die Luft aus den Aktienbewertungen lassen wollen, könnten sie dies in den USA auch tun. Müssen? Könnten?

Derartige Ankündigen wie in der Wochenvorschau einer führenden Agentur machen wenig sein. Ich bin sicher, geschätzte Anleger, dass die meisten unter Ihnen längst die Argumentationsketten kennen – von teilweise enttäuschenden Konjunktur- und Unternehmensdaten (speziell in Europa) und den Diskussionen über die Zinspolitik der US-Notenbank bis zu von den Krisenherden im Osten und Nahen Osten. Zuletzt wurden von den Börsianern vor allem die besorgten Reaktionen aus der Wirtschaft über die Auswirkungen der verschärften Russland-Sanktionen des Westens zitiert. Ist jetzt unsere eh schon bescheidene Konjunkturerholung zusätzlich gefährdet?

Die Suche nach den „Schuldigen“ wird schwierig bleiben. Und ich bezweifle, dass wir schon nach ein paar weiteren Handelstagen viel klüger sein werden. Sollten die potenziellen Käufer ihre Taschen zulassen („Damit die Börse sich erst einmal richtig auskotzt“, hörte man früher in solchen Phasen auf dem Parkett), sind weitere empfindliche Kursrückschläge und ein Test der 9.000er Marke gut möglich. Selbst wir Trendfolger kratzen uns jetzt nachdenklich den Kopf – erst recht, nachdem der Dax am Freitag nachbörslich noch unter 9.200 gefallen ist. Aber es besteht auch die Möglichkeit einer raschen Erholung (Stichwort „Bärenfalle“). Danach sah es zuletzt freilich nicht aus.
Ich möchte an dieser Stelle zwei Aspekte würdigen, die in den Diskussionen bisher nicht oder hinreichend vorkamen: die ungewöhnlich labile Nachrichtenlage und die Eigendynamik von Finanzmärkten.

Die oft uneinheitlichen und wechselhaften Daten und Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung erlauben keine auch nur einigermaßen sichere Einschätzung. Mitunter reagieren die Börsen mehrmals innerhalb einer Woche auf Frühindikatoren, die üblicherweise vorläufiger Natur sind. Früher hat man sich um die revidierten Endzahlen nicht gekümmert – heute ist das unbedingt erforderlich, zumal mittlerweile auch laufende Wirtschaftsdaten aus China für die Weltbörsen kursrelevant sind. Denken Sie nur an die manchmal gegensätzlichen Indizes, die aus den USA kommen. Ein „Highlight“ bildete die mehrfach und dramatisch korrigierte BIP-Zahl für das erste Quartal.

Aktuell bereitet Amerika keine Sorgen mehr. Seit dem zweiten Vierteljahr gewinnt die Wirtschaft klar erkennbar an Dynamik. Dazu passt die steigende Inflation. Werden die USA also wieder zum Taktgeber für die Weltwirtschaft, wie Analysten ankündigen? Im Gegensatz dazu wachsen jetzt die Zweifel an der Erholung Europas. Überwogen dazu vor ein paar Monaten noch die optimistischen Stimmen,
so steigen jetzt die Sorgen sogar beim Blick auf das Zugpferd Deutschland – erst recht in Verbindung mit den Sanktionen gegenüber Russland. Dazu kommt die brisante Situation Frankreichs, das als das größte Problem der Europäischen Union gilt. Wenig hilfreich zur Klärung des Horizonts sind die Zwischenberichte und Vorhersagen der börsennotierten Konzerne – auf beiden Seiten des Atlantiks ein uneinheitliches Bild der Berichtssaison mit positiven wie negativen Überraschungen.

Noch unberechenbarer kann die Börse durch das werden, was man „Eigendynamik“ nennt. Damit gemeint sind dramatisch werdende Stimmungsveränderungen, deren Ursache nicht klar auszumachen bzw. zuzuweisen ist. Hier werden die Folgen des Herdentriebs rasch erkennbar, weil sich immer mehr Investoren auf eine Seite stellen – wer will heute schon gegen den Markt handeln? Die Dynamik kann so stark werden, dass beispielsweise gute, ermutigende Nachrichten in einer ausgeprägten Schwäche auf taube Ohren stoßen. Ein alter Spruch bringt dieses Phänomen auf den Punkt: „Die Hausse nährt die Hausse, die Baisse nährt die Baisse.“

Was kann man jetzt noch kaufen? 

Zu guter Letzt: Treffe ich am Samstag auf dem Golfplatz nach langer Zeit wieder einen bekannten, erfolgreichen Unternehmer. Der spricht mich auf meine Mitarbeit beim TM Börsenverlag an, ich bejahe und hänge lachend eine Empfehlung dran: „Wieder anfangen zu kaufen!“ Er signalisiert selbstbewusst, dass er das ja schon vorhabe, dazu aber einen seriösen Berater brauche, der gut fundierte, konkrete Tipps liefere. Ich schildere ihm auf dem Rückweg zum Parkplatz die Besonderheiten des „boerse.de-Aktienbrief“. Er wollte ja solche Werbung: „Sie sollten mein Bauchgefühl lesen und den Aktienbrief unbedingt abonnieren!“
Diese Empfehlung gilt natürlich nicht nur für den gutsituierten Golfer. Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!