Börsenschwäche (3): Und wenn doch nicht alles gut geht?

„Dax schreit sich nach oben.“ „Dax lässt Dampf ab.“ „Die 9.200 sind greifbar – Dax schreit sich frei“. Es muss die groteske Kursentwicklung der letzten Tage sein, die offenkundig verzweifelte Börsenbeobachter zu derart blödsinnigen Überschriften veranlasst hat (hier chronologisch die gestrigen Online-Marktberichte eines bekannten Nachrichtensenders). Dazu empfehle ich als bildhaften Vergleich: „Dax vollzieht Bocksprünge.“ Es geht hoch und runter und das mit starken Ausschlägen.

Gegenbewegung? Anschlusskäufe? Ein plausibler Erklärungsversuch: Der freie Fall der Aktienkurse ist zunächst abgewendet, allerdings fehlen die Argumente für eine nachhaltige Erholung. Betrachtet man die vergangenen Handelstage, so fällt auf, dass Wirtschaftsdaten und fundamentale Entwicklungen einen relativ geringen Einfluss auf das Marktgeschehen ausgeübt haben. Vielmehr wurden die Entscheidungen der Börsianer durch die geopolitischen Entwicklungen, vornehmlich die Entwicklung der Krise zwischen der Ukraine und Russland, bestimmt. Dazu stellen die Sentiment-Analysten an der Frankfurter Börse in ihrem gestern veröffentlichten Wochenbericht zusammenfassend zweierlei fest. Zum einen sind die institutionellen Schnäppchenjäger mit ihren bisherigen Aktienkäufen in die Schwäche hinein nicht wirklich glücklich geworden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Einstieg in die Dax-Abwärtskorrektur in vielen Fällen zu früh vorgenommen wurde. Diese Positionierungen dürften sich zu einem späteren Zeitpunkt durchaus als Belastung für den Leitindex darstellen. Zum anderen lässt die Nachfrage aus dem Ausland nach europäischen Aktientiteln nach wie vor zu wünschen übrig. Die jüngste globale Umfrage von BofA Merrill Lynch belegt dabei eindrucksvoll die hier seit Wochen geäußerte Ansicht, dass es zu langfristigen Kapitalabflüssen in der Eurozone gekommen sein muss. Denn per Saldo wollten Anfang August nur noch 13 Prozent der Umfrageteilnehmer in kontinentaleuropäischen Aktien übergewichtet sein, im Vormonat waren es 35 Prozent.

Trotz der Kurserholung drängt sich geradezu auf, das Gegenteil meiner letzten „Bauchgefühl“-Überschrift als Szenario zu diskutieren: Und wenn doch nicht alles gut geht? Für mich gibt es keinen Anlass einzelne, kurzfristige geopolitische Ereignisse bereits als Signale einer Entspannung zu interpretieren. Zwar bleibe ich bei meiner These, dass am Ende alles gut wird, doch ist Skepsis beim Zeitfaktor geboten. D. h., es kann noch längere Zeit vergehen, bis die politischen Krisen an Brisanz und damit an Kursrelevanz verlieren werden. Was die Börse jetzt befürchtet, sind die negativen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.

Verständlich, wenn das Handelsblatt gestern Nachmittag besorgt die Frage aufwirft: Schlittert Deutschland in die Rezession? Die Produktion entwickelt sich schwach, die Industrieaufträge sind gesunken und die Stimmung ist schlecht. Die Ukraine-Krise verunsichert deutsche Unternehmen und Verbraucher. Wie hoch sind die Risiken?

Dazu passt der vorhin veröffentlichte BIP-Bericht des Statistischen Bundesamts: Die deutsche Wirtschaft ist im Frühjahr erstmals seit gut einem Jahr geschrumpft. Wegen des schwächelnden Außenhandels und sinkender Investitionen fiel das Bruttoinlandsprodukt zwischen April und Juni überraschend um 0,2 Prozent zum Vorquartal. Nur ein Delle oder doch mehr?
Dazu plötzlich wieder – nach einer Reihe von positiven Nachrichten – Fragezeichen hinter der volkswirtschaftlichen Dauerbaustelle China, denn: Die chinesische Wirtschaft büßt trotz Konjunkturhilfen der Regierung an Kraft ein. Das Wachstum von Industrieproduktion, Einzelhandelsumsatz und Investitionen verlangsamte sich im Juli jeweils. Und dann eine weitere Überraschung: Japans Wirtschaft ist im 2. Quartal als Folge der Mehrwertsteuererhöhung geschrumpft. Bleibt als sichere Stützte der Weltwirtschaft also nur Amerika?

Der druckfrische ifo-Bericht zum Weltwirtschaftsklima spannt den kritischen Bogen. – Der ifo Index für die Weltwirtschaft ist auf 105,0 von 102,3 Punkte im Vorquartal gestiegen. Sowohl die Einschätzungen zur aktuellen Lage als auch die Konjunkturerwartungen haben sich gegenüber April leicht verbessert. Die Weltkonjunktur bleibt aufwärts gerichtet. Allerdings haben die Risiken zugenommen.
Sollten sich die fundamentalen Daten in den kommenden Wochen tatsächlich verschlechtern, gerade aus deutscher Sicht, dann wird dies die Börsen nicht unbeeindruckt lassen. Vor allem dürfte sich dann die Festigung des Dollarkurses gegenüber dem Euro beschleunigen, dürften immer mehr Investoren die Wall Street favorisieren. Schließlich würde das auf eine stärkere Differenzierung zwischen den Kursentwicklungen beiderseits des Atlantiks hinauslaufen.

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