Ein gelungener bildhafter Vergleich Frankfurter Analysten: An den
Aktienmärkten hat in den letzten Wochen ein Temperatursturz
stattgefunden. Durch die jüngsten Kurskorrekturen ist zwar ein Teil der
Überhitzung abgebaut. Angesichts einer Eintrübung des fundamentalen
Umfelds ist das Chance-Risiko-Verhältnis aber noch nicht wirklich
attraktiv. Mit Neuengagements sollte man sich daher vorerst
zurückhalten. Die Schlussfolgerungen möchte ich jedoch nicht
unwidersprochen so stehen lassen.
Diese Betrachtung basiert vor
allem auf der fundamentalen Entwicklung, speziell auf den zuletzt doch
enttäuschenden Konjunkturnachrichten aus Europa. Andere Strategen widmen
sich insbesondere den geopolitische Risiken in Kombination mit
US-Zinsängsten. Die Krise in der Ukraine dauert schon einige Monate,
aber erst seit kurzem scheinen die Finanzmärkte darauf zu reagieren. Bis
dahin waren die Sanktionen des Westens gegenüber Russlands eher
kosmetischer Natur. Seit dem Abschuss des Flugzeugs der Air Malaysia
eskalierte die Krise, und Sanktionen wurden von beiden Seiten
signifikant verschärft. Damit wuchsen an den Finanzmärkten die Ängste
vor einem merklichen negativen Effekt auf das Weltwirtschaftswachstum –
zumal die USA auch in die Krise im Irak eingreifen und militärische
Operationen in der Nähe zu dem mit Russland verbündeten Syrien zu planen
scheinen. Vor diesem Hintergrund sagte EZB-Präsident Draghi am
Donnerstag auf der Pressekonferenz, dass von den geopolitischen
Ereignissen erhöhte Risiken für den europäischen Aufschwung ausgingen,
jedoch erst die Daten in den kommenden Monaten das Ausmaß der negativen
Effekte zeigen würden. Es ist nahezu unmöglich, den weiteren Verlauf und
die Dynamik der geopolitischen Krisen zu prognostizieren.
Trotzdem
wage ich den Versuch, meine „Am-Ende-wird-alles-gut“-These, die einige
Miesmacher jedes Mal aufs Neue ärgert, auch hier einzusetzen. Dazu eine
Meldung vom Wochenende, die man nicht überlesen sollte: „Russlands
Präsident Wladimir Putin hat am Samstag offiziell den Startschuss für
ein Gemeinschaftsprojekt des US-Energiekonzerns ExxonMobil und des
russischen Staatskonzerns Rosneft in der Arktis gegeben. Dabei lobte der
Staatschef, der sich per Videokonferenz aus dem südrussischen Sotschi
zuschalten ließ, demonstrativ die Zusammenarbeit beider Firmen. „Wir
sind bereit, unsere Kooperation mit unseren Partnern auszubauen“, sagte
der Kreml-Chef.
Was lernen wir daraus? Im Zeitalter globaler
Vernetzung kann und will sich keine Seite einen längeren
Wirtschaftskrieg leisten. Denn Vernetzung bedeutet auch gegenseitige
Abhängigkeit. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich Russland und
Europa/Amerika bald wieder an einen Tisch setzen werden. Auf ähnliche
Signale der Hoffnung darf man beim Blick in die arabische Welt
nicht setzen. Es geht doch um viel mehr als Gaza, sondern um die
vielschichtigen Konflikte, welche auch die nordafrikanischen Staaten
einschließen. Aber: Trotz einer enormen politischen Brisanz haben die
Kriegsbilder des Nahen Ostens eigentlich (noch) keine Börsenrelevanz.
Springen
wir über den großen Teich: Dass die Ängste vor einer früher als
erwarteten Zinswende in den USA deutlich zugenommen haben, ist ein
weiterer Grund für den Umschwung in der Risikowahrnehmung der
Finanzmarktteilnehmer. Die Geldpolitik der Fed wird uns unterbrochen
bergleiten, über Monate weg – eigentlich ohne Ende. Allerdings werden
die Vorzeichen wechseln, was konkret bedeutet, dass die Börsianer
irgendwann wieder gelassener werden. Man wird erkennen, dass die
Zinswende in kleinen Schritten vollzogen wird. Das wird bis auf weiteres
nichts an der konkurrenzlosen Situation der Aktie ändern.
Solche
Gelassenheit kann man aktuell für den Fortschritt von Europas
Volkswirtschaften noch nicht an den Tag legen. Und so darf man besonders
gespannt sein, ob die neuen Konjunkturdaten, die in den nächsten Tagen
veröffentlicht werden (EZB, BIP-Zahlen 2. Quartal für Deutschland und
Euroland), aufatmen lassen.
Allein dieser kleine, ganz bewusst
positive Ausschnitt zeigt auf, dass man eine Welt voller gravierender
Krisen durchaus durch die rosarote Brille sehen kann. Wer das tut, wird
die Schwächephase der Aktienmärkte in die Konsolidierungsschublade legen
und gleich oder in Kürze auf eine spürbare Stimmungsbesserung mit
wieder steigenden Kursen setzen.
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