Börsenstimmung: Der Aktienhandel blickt nicht mehr durch

Was sind Börsenprognosen noch wert? Welche Qualität haben Konjunkturstatistiken und Aktienanalysen? Wie hilfreich sind die täglichen Börsenberichte für den Anleger? Der Jahresauftakt bekräftigt mich, immer wieder diese Fragezeichen zu setzen, weil ich noch lauter als früher vor einer kurzfristigen Betrachtung des Börsengeschehens, wie sie inzwischen verbreitet ist, warnen möchte. Denn was die Trader fasziniert, schadet den Anlegern. Die Herde der Profis folgt jeden Tag einem Überangebot von Nachrichten, deren Interpretationen oft und ganz kurzfristig wechseln – verstärkt durch Medien, welche die Stimmungsbeschreibungen von einer Zeitzone zur nächsten tragen, rund um den Globus. Ich behaupte: Der Aktienhandel (und nicht nur der) blickt eigentlich nicht mehr durch.

Beispiele: „Grexit“-Diskussion eine schwere Belastung, tage später total vernachlässigt. Ost-West-Konflikt und russische Wirtschaftskrisen sorgen immer wieder für tiefe Sorgenfalten, werden kurz darauf ohne Veränderung der Nachrichtenlage aber wieder geglättet. Auf Konjunkturindikatoren von China bis USA mit fragwürdiger Aussagekraft reagiert man mal mehr, mal weniger. Und das zentrale Thema Geldpolitik von Fed und EZB ist zur Obsession der Börsianer geworden – obwohl den Märkten gerade von dieser Seite nichts Negatives droht.

Als schier unerträglich empfinde ich aktuell den Hickhack um den Sturz der Ölpreise. Gestern war wieder sein solcher Tag, der Ihnen, geschätzte Anleger, den Spaß an der Börse verderben kann. Nur zur Erinnerung: Normalerweise (und so auch vor kurzer Zeit noch) gelten sinkende Energie- und Rohstoffpreise als belebender Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung. Die entsprechenden Kosteneinsparungen werden von Volkswirten und Finanzanalysten gerne als „kleines Konjunkturprogramm“ begrüßt. So sehen es viele auch jetzt noch. Mehrheitlich hat sich aber die global ansteckende Sorge ausgebreitet, der tiefe Fall des Rohöls sei ein fataler Vorbote schwächelnder Weltwirtschaft. Zuletzt wurde dazu auch der schwache Kupferpreis herangezogen. In den zurückliegenden Tagen waren aber feste und schwache Tendenzen mit Ölpreisbegründung zu beobachten. Diese Groteske ist ein Zeichen dafür, dass die sich öffentlich äußernden Marktteilnehmer im Grunde nicht mehr wissen, was Sache ist.

Dann kam (spöttisch gesagt: zur rechten Zeit für die Skeptiker) die neue Prognose der Weltbank: Wegen der schleppenden wirtschaftlichen Entwicklung in der Euro-Zone und in Japan hat sie ihre Wachstumsprognose für die kommenden beiden Jahre gekappt. Auch die niedrigeren Ölpreise könnten die Schwäche auf diesen Märkten sowie in mehreren Schwellenländern nicht ausgleichen, erklärte die Weltbank. Man geht für 2015 nur noch von einem Zuwachs um 3 Prozent aus. Vor einem halben Jahr lag die Prognose noch bei 3,4 Prozent. Für 2016 erwarten sie nun 3,3 statt 3,5 Prozent. Bei den Schwellenländern trugen Russland und Brasilien zu der pessimistischeren Einschätzung bei. Aber auch das langsamere Wachstum in China wirkt sich auf die Weltwirtschaft aus. Ein Lichtblick ist für die Weltbank neben den USA auch Großbritannien.

Weltbank – das wird gerne zitiert nach dem Motto: Die müssen es doch wissen! Die Erfahrung lehrt anderes, denn erstens kommt diese unabhängige Institution immer sehr spät, kann also alle bereits bekannten Vorhersagen verarbeiten, und zweitens werden ihre Prognosen wie andere auch immer wieder revidiert.

Ich halte es da lieber mit dem Morgenkommentar des von mir besonders geschätzten Deutsche-Bank-Chefstrategen Dr. Ulrich Stephan, der mir heute geschrieben hat: „Viele wollen dem Kupferpreis einen Doktortitel in VWL geben – weil er angeblich Konjunkturwenden vorhersagen könne. Diesmal könnte er aber falsch liegen. Doch acht Prozent minus in zwei Tagen verunsichern Anleger, die Märkte schwanken stark. Ein Übriges tut die gesenkte Wachstumsprognose der Weltbank, die das Gute am billigen Öl übersieht. Stütze ist der Europäische Gerichtshof, der gestern schon fast grünes Licht für EZB-Staatsanleihekäufe gab.“

Top-Defensiv-Champions sind 2015 besonders gut gestartet

Ich kann gut verstehen, liebe Leser, wenn Sie derzeit keine Lust zu neuen Engagements verspüren. Nicht zum letzten Mal werde ich dennoch an eine vorsichtige, defensive Strategie erinnern, die ich sehr sympathisch finde. Denn deutlich besser als bei Dow und Dax sind die bisherigen Sitzungen für den BCDI (WKN SLA3CD) des TM Börsenverlags verlaufen, in dem zehn ganz besondere Top-Defensiv-Champions zusammengefasst werden. Nach drei zunächst schwächeren Sitzungen startete der Index wieder deutlich nach oben durch und markierte dabei neue historische Höchststände. Unter dem Strich errechnet sich für den BCDI gegenüber dem 2014er-Schlussstand ein Plus von 3,0%. Natürlich lässt sich nach gerade einmal acht Handelstagen noch kein wirklich aussagekräftiges Fazit ziehen. Doch die jüngste Entwicklung des BCDI passt sehr gut zur Tendenz der vergangenen Monate. So errechnet sich für den „boerse.de-Champions-Defensiv-Index“ nach rund sechseinhalb Monaten ein bemerkenswertes Plus von 16,0%. Der Dow Jones kommt dagegen nur auf +4,7%, und beim Dax sind es sogar lediglich 1,1%.

Machen Sie langfristig weiter mit – und machen Sie’s gut!