21.04.16
Es sieht gut aus an
den Aktienbörsen. Besser denn je im bisherigen Jahresverlauf. Damit
spreche ich ausnahmsweise einmal nicht die Rahmenbedingungen an,
sondern vielmehr den Kursverlauf. Die Art und Weise der Erholung von
Dax & Co. macht einfach Mut. Doch sollten Sie, geschätzte
Anleger, daraus keine nachhaltige Hochstimmung entwickeln! „Euphorie
sieht anders aus“, schreibt Verhaltensökonom Joachim Goldberg in
seinem wöchentlichen Stimmungsreport (davon später mehr). Ja. Und
genau das stärkt meine Zuversicht.
Überraschend schon
der Wochenauftakt, hatte man doch nach der Nicht-Einigung der
Opec-Länder eher mit wieder sinkenden Rohölpreisen gerechnet, die
auch die Aktien mit nach unten ziehen würden. Es kam bekanntlich
anders. Am Dienstag dann der neue Dax-Jahreshöchststand mit dem
Erreichen der 200-Tage-Linie. Und gestern zunächst ganz natürliche
Gewinnmitnahmen, die nachmittags von neuen Käufen beendet wurden.
Ich hatte eigentlich
erwartet, gestern ein Fülle von frischen Eilanalysen auf den Schirm
zu bekommen, weil die Strategen der Banken, Fonds und
Vermögensverwalter ihre bisherigen Prognosen überdenken müssen.
Aber nein, es herrschte nach diesem spannenden Kursverlauf bis jetzt
weitgehende Funkstille. Keine besonderen Analyse-Updates, keine neuen
Vorhersagen. Die Experten denken noch.
Der schrittweise
Anstieg ohne hitzige Euphorie ist ein wirklich gutes Zeichen. Aber
was versteht man darunter (ich beschäftige mich ja gerne mit
Herkunft und Bedeutung von Worten)? Euphorie bezeichnet eine
subjektiv temporäre überschwängliche Gemütsverfassung mit
allgemeiner Hochstimmung, mit einem gehobenen Lebensgefühl größten
Wohlbefindens, mit gesteigerter Lebensfreude und verminderten
Hemmungen. In der Psychologie ist Euphorie ein Zustand des intensiven
guten Gefühls, Glück zu empfinden. Es wird mitunter als
unangemessen gehobene Stimmung sowie ein gesteigerter Antrieb
bewertet. Der Euphorie entspricht eine anhaltende Aktivität im
Nucleus accumbens (den kennt doch jeder …) des Gehirns. Anstoß
hierfür können auch Alkohol, Arzneimittel und andere Drogen sein.
Ich ergänze: auch wilde Aktien-Haussen!
Die Ergebnisse der
gestrigen Stimmungserhebung an der Frankfurter Börse bestätigen
meinen Eindruck differenzierten Verhaltens: Professionelle und
private Anleger zeigten in dieser Woche ein entgegengesetztes
Vorgehen. Die Profis reagierten auf die steigenden Aktienpreise –
immerhin plus 450 Dax-Punkte seit vergangenem Mittwoch – vor allem
mit Verkäufen ihrer Short-Positionen. 9 Prozent haben glattgestellt.
Weil zudem 3 Prozent ihre Aktien verkauft haben, ist der
Sentiment-Index „nur" auf +19 Punkte gestiegen nach +13
Punkten in der Vorwoche. Joachim Goldberg geht davon aus, dass den
gegen Verluste abgesicherten Anlegern der Dax regelrecht
davongelaufen ist. Der Verhaltensökonom vermutet weit verbreite
Ängste dahinter, etwa vor einem Brexit. Auffällig ist die mit 31
Prozent sehr hohe Quote der neutral gestimmten institutionellen
Anleger ohne Engagement. Von den Privatanlegern sind dagegen 6
Prozent auf die Short-Seite gewechselt und 2 Prozent aus Aktien
rausgegangen. Der Sentiment-Indikator dieser Anlegergruppe ist nach
+25 Punkten in der Vorwoche auf +17 Punkte gefallen. Goldberg
vermutet Gewinnmitnahmen. Sein Fazit: Die Kursgewinne seien nur zu
Teilen heimischen Investoren zuzuschreiben. Im Fall von Rücksetzern
kurz vor der 10.000er Linie sieht er aber Kaufbereitschaft, und an
der Oberseite erwartet er wenig Verkaufswille.
Jetzt
wird’s spannend – Und Ihre Meinung?
Es ist also
ausgesprochen spannend geworden, das gilt für den Dax auch aus dem
Blickwinkel der Charttechnik. Denn mit einem deutlichen Sprung über
die 200-Tage-Linie würde der Dax den letzten Crash abhaken können
und das Signal für den Start einer neuen Hausse geben. Doch auch
mein Kollege Jochen Appeltauer, Chefredakteur des
„boerse.de-Aktienbrief“ legt keine Euphorie an den Tag, denn: „So
mancher Anleger und Analyst befürchtet, dass das Pulver auch schon
wieder verschossen sein könnte. Zumal wir uns nun immer mehr der
traditionell schwachen Börsen-Jahreszeit nähern. Denn es dürfte
nicht mehr lange dauern, bis wieder die alljährlichen ‚Sell in may
and go away‘-Artikel aus den Redaktionsschubladen hervorgekramt
werden.
Derzeit herrscht
Hochspannung an der Börse. Und jetzt die Bitte der Redaktion: Es
würde uns brennend interessieren, wie Sie ganz persönlich die
weitere Richtung des Marktes einschätzen. Deswegen haben wir jetzt
wieder unser boerse.de-Anleger-Barometer gestartet. Sagen Sie uns
Ihre Meinung! Diese Umfrage wird quartalsweise durchgeführt und
liefert damit regelmäßig ein umfassendes Bild von der jeweils
herrschenden Stimmung unter den heimischen Privatanlegern. Die
Teilnahme ist dabei denkbar einfach, da es lediglich fünf kurze
Fragen, die es zu beantworten gilt.
Machen Sie also
weiter mit – und machen Sie’s gut!